When We See Us. 100 Jahre panafrikanische figurative Malerei.
Kunstmuseum Basel / Gegenwart, St. Alban-Rheinweg 60, Basel.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 24. November 2024.
www.kunstmuseumbasel.ch
Zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen: Thames & Hudson, London 2023, 336 S., 53 Euro | ca. 59 Franken.
Die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Basel Gegenwart sorgt für ein Déjà-vu. Dieser behagliche Rahmen, dieses wohnliche Interieur in angenehm temperierten Farben zum Lesen und Schauen auf bequemen Sitzgelegenheiten – war es nicht die Afroamerikanerin Carrie Mae Weems, die auf diese Weise ihr Publikum hier zuletzt in ihre sinnliche, komplexe Werkschau entführte und damit klarstellte, dass der White Cube eben nur einer unten vielen möglichen Repräsentationsräumen von Kunst ist. Und ein sehr weißer dazu, exklusiv, selbstreferenziell und mit dem unbeirrbaren Glauben an die eigene Definitionsmacht? Die Gruppenschau „When We See Us. 100 Jahren panafrikanische figürliche Malerei“, die jetzt hier zu sehen ist, greift die Idee der alle Sinne umfassenden Inszenierung von Kunst auf und baut sie aus. Koyo Kouoh, die die Schau als Direktorin des Zeitz MOCAA Kapstadt zunächst für ihr Haus entwickelt hatte, übertrug das Konzept mit ihrem Kurator:innenteam auf den Betonbau am Rhein. Was zunächst nach einer lediglich technischen Anpassung klingt, bewirkt einen grundlegenden Perspektivenwechsel.
Ausgangspunkt der Ausstellung war für Kouoh die Idee, „den Reichtum, die Fülle und die Vielfalt afrikanischer Erfahrungen anhand der unerschöpflichen Ausdrucksformen der Künstler:innen dieses Kontinents zu vermitteln“. Es geht um die Selbstwahrnehmung, um das „When We See Us“ und nicht um das „When They See Us“, nicht um den rassifizierenden Blick weißer Mehrheitsgesellschaften, der vielen Menschen der afrikanischen Diaspora das Leben zur Hölle macht. Mehr als 200 Bilder von über 160 Künstler:innen trug Kouoh dafür zusammen, mit zahlreichen Leihgaben großer Privatsammlungen wie der Jorge M. Pérez Collection in Miami oder der Walter and Linda Evans Collection of African American Art. Ausdrücklich liegt der Fokus der Basler Schau auf Aspekten des Alltagslebens, farblich abgestimmt und einzelnen Kapiteln zugeordnet wie Sinnlichkeit und Spiritualität, Arbeit, Ruhe, Freude und Ausgelassenheit. Im Zentrum jeder dieser Themeninseln wartet ein Sofa auf hochflorigem Teppich, über dem aus Lautsprechern ein Mix aus Jazz, Soul, Mali-Blues, Afrobeat, Hi-Life und HipHop rieselt. Dazu entspannen dann auf einem Doppelporträt von Zandile Tshabalala (*1999) zwei Frauen in Leopardendress auf einer Couch, die im Kongo geborene Cinthia Sifa Mulanga (*1997) beobachtet Freundinnen bei der innigen Umarmung vor einem Auftritt, Cassi Namoda (*1988) aus Mosambik inszeniert eine afrikanische Flusslandschaft als Kulisse für ein Taufritual und mittendrin leuchtet Lynette Yiadom-Boakyes großartige Boygroup-Fiktion „A Culmination“, die das Kunstmuseum Basel 2017 aus der Soloschau der britisch-ghanaischen Malerin (*1977) in der Kunsthalle Basel ankaufte. Sound ist omnipräsent im Haus. Auf subtile Weise verbindet er die Bilder aus weit entfernten zeitlichen und geografischen Räumen Schwarzer Kultur, deren schiere Menge mal an Überforderung grenzt, mal sanft umhüllt. Die Saaltexte dazu zielen auf Atmosphäre und Gemeinschaft, nicht auf Analyse. „In unseren Häusern duftet es nach Chapati, Thieboudienne, Guru, Blattkohl und Kochbananen“, heißt es da etwa zum Thema Alltag, oder: „Ob beim Wasserholen, Lesen, Laufen, Stricken, Biertrinken oder Haareflechten – wir verleihen unserer Freude Ausdruck und geniessen unser Dasein“. Die Selbstverständlichkeit, mit der Kouoh diesem Wir sowohl als historischem als auch gegenwärtigem Kollektivsubjektiv im Kunstmuseum Basel Raum gibt, ist radikal und lässt sich zugleich als Angebot zur Inklusion verstehen. Genauer: als Einladung an ein weißes Publikum, die Erfahrung eines Nichtgemeintseins zu machen, die der nigerianisch-amerikanische Schriftsteller Teju Cole in seinem Roman „Tremor“ adressiert, wenn er darüber nachdenkt, „dass Weiße sich in ausschließlich weißen Umgebungen wohlfühlen. Es fällt ihnen nicht auf, dass schwarze Menschen fehlen in ihren Museen und Schulen, in den Filmen, die sie sehen, den Büchern, die sie lesen, unter den Intellektuellen, die sie zitieren“. Koyo Kouohs spektakuläre Schau macht es unmöglich, das zu übersehen.