Deborah Joyce Holman.
Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21, Freiburg.
Mittwoch bis Freitag 15.00 bis 19.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
14. September bis 27. Oktober 2024.
www.kunstvereinfreiburg.de
www.deborahjoyceholman.com
„Wenn Du ein Lied singst, das von Dir selbst handelt, dann muss es um etwas gehen. Du musst es aus Erfahrung tun.“ In Deborah Joyce Holmans Videos „Moment“ und „Moment 2“ fallen diese Sätze in einen Raum, der seltsam clean wirkt. Fensterfronten geben den Blick frei auf einen Park, davor sind auf einem Bord eine Blumenvase und ein paar persönliche Dinge angeordnet. Eine Sofalandschaft mit einer Häkeldecke nimmt einen großen Teil des Raumes ein, auf der in der ersten Version der Arbeit Imani Mason Jordan, in der zweiten Rebecca Bellantoni sitzt. Ursprünglich fielen die Worte jedoch nicht in einem aufgeräumt wirkenden Londoner Hotelzimmer, sondern im New Yorker Chelsea Hotel. Es war das Apartment von Shirley Clarke, die zusammen mit ihrem Freund Carl Lee 1967 „Portrait of Jason“ filmte. Zwölf Stunden hielten sie die Kamera auf den Afroamerikaner Jason Holliday, schwul, Nachtklubkünstler und selbst erklärter Hustler. Je mehr der Abend voranschritt, desto aggressiver wurde der Ton der Filmemacherin gegenüber Holliday und desto betrunkener wurde dieser. Rezipiert wurde das Porträt lange im Kontext des cinéma verité, in der LGBTQ+-Szene wird es als Beispiel für den übergriffigen und respektlosen Umgang mit Homosexuellen, insbesondere mit schwarzen Menschen aufgefasst. Jordan und Bellantoni wiederholen immer wieder Sätze von Holliday. Insofern sind Holmans 2023 entstandene Videos auch einem Akt der Solidarität entsprungen, zudem sie über die Rolle der Kamera und der beiden Performenden reflektieren. Holman selbst versteht sich als nicht-binär.
Zu den ersten Arbeiten von Deborah Joyce Holman (*1991) gehörten Installationen und Skulpturen. Holman, in Basel geboren, studierte an der HEAD in Genf und in Nottingham, produziert mittlerweile vor allem Filme. Dadurch arbeitet Holman, in diesem Jahr mit dem Prix Mobilière ausgezeichnet, nun nicht nur im Team, sondern das Moment der Zeit spielt auch eine wesentlich größere Rolle. „Moment 2“ etwa dauert neun Stunden und konnte, als es im Zürcher LUMA Westbau erstmals gezeigt wurde, noch nicht einmal in Gänze angeschaut werden. Wenn jetzt im Kunstverein Freiburg in Holmans Soloschau auch eine Videoarbeit zu sehen ist, so ist diese das Reenactment des eigenen Films „Close up/Quiet as it’s kept“, den Holman im letzten Jahr in der Kunsthalle Bern zeigte. Zu sehen ist eine dunkelhäutige Frau: sie liegt auf dem Sofa oder macht sich einen Tee.
Auch wenn sich Holmans künstlerischer Fokus mittlerweile auf den Film und auf Bilder richtet, ist das Moment der Inszenierung geblieben. Oft malt Deborah Joyce Holman Interieurs, mitunter sind es Filmsettings von lesbischen Pornos, nur ohne die Frauen. Holman lässt dabei auf der Leinwand ganz bewusst Leerstellen, so dass die Vorzeichnungen sichtbar werden. In den Videos sind Schwarze – und nicht selten queere – sehr bewusst bei geradezu marginalen Tätigkeiten zu sehen. Diese völlig unrepräsentativen Handlungen sind durchaus politisch. Auch die ein Jahr ältere afroamerikanische Künstlerin Tschabalala Self hat Skulpturen von dunkelhäutigen Figuren geschaffen, die in aller Ruhe auf Stühlen sitzen. Die Stille, die diese Verkörperungen schwarzer Menschen umgibt, ist eine Abwesenheit von Fremdbestimmung, vom Spektakel, vom Extrovertierten, das so oft mit schwarzen Körpern verbunden wird. Im Kunstverein Freiburg erlaubte Holman während der Biennale für Freiburg 2 im letzten Jahr der Skulpturengruppe „Untitled (for scales)“, die aus einer losen Figurengruppe von dunklen Silhouetten bestand, aufgrund ihrer alltäglichen Gestik im Unbestimmten zu verschwinden. Die Verweigerungshaltung kommt nicht von Ungefähr, sie ist eine Selbstbehauptung.