Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life: Self Marketing im Doppelpack

Andy Warhol &Keith Haring
Nan Goldin, Keith Haring & Andy Warhol at Palladium, 1985, © Nan Goldin
Review > München > Museum Brandhorst
2. September 2024
Text: Jürgen Moises

Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life.
Museum Brandhorst. Theresienstr. 35a, München.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 26. Januar 2025.
www.museum-brandhorst.de

Andy Warhol & Keith Haring
Andy Warhol, BMW Art Car M1 Gruppe 4, 1979, © 2024 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by Artists York, BMW AG
Andy Warhol & Keith Haring
Keith Haring, Ignorance = Fear, 1989, © The Keith Haring Foundation, Foto: Elisabeth Greil
Andy Warhol & Keith Haring
Keith Haring, Andy Mouse, 1985, © The Keith Haring Foundation

Er war der Typ, „der in der ganzen Stadt diese Figuren malt, diese Graffitis“. Mit diesen Worten beschrieb Andy Warhol (1928-1987) in einem ersten Tagebucheintrag den New Yorker Künstler Keith Haring (1958-1990). Später wurden die beiden Freunde. Und als Warhol 1987 völlig unerwartet an den Folgen einer Gallenblasenoperation verstarb, verabschiedete sich wiederum Haring in seinem Tagebuch von ihm mit den Worten: „Ich habe einen Freund, einen Lehrer und den größten Unterstützer in der wahren Kunstwelt verloren.“ Was beide Pop-Art-Künstler trennte, das waren 30 Jahre. Was beide verband, das war überraschend viel. Das aufzuzeigen, hat sich das Münchner Museum Brandhorst in der Ausstellung „Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life“ zur Aufgabe gemacht. Und laut Kuratorin Franziska Linhardt ist es das erste Mal weltweit, dass dies auf eine umfassende und institutionelle Weise geschieht.

Warum diese Engführung nicht früher passiert ist? Das kann man sich tatsächlich fragen nach dieser Ausstellung, die mehr als 130 Werke beider Künstler präsentiert. Ergänzt durch gemeinsame Projekte sowie welche, die in Zusammenarbeit mit weiteren Künstler*innen oder Musiker*innen entstanden. Die Offenheit für Kollaborationen gehört dabei genauso zu den Gemeinsamkeiten wie die Begeisterung für die Pop-, Konsum- und Medienwelt. Was in der Ausstellung auch deutlich wird: Keith Harings Kunst, sein offener Umgang mit seiner Homosexualität und mit queeren Themen wären ohne Warhol nicht zu denken. Der schuf bereits in den Sechzigern mit seiner New Yorker Factory einen Ort der radikalen Offenheit und exzessiven Selbstdarstellung. Dass die parallel in Berlin laufende Ausstellung „Andy Warhol – Velvet Rage and Beauty“ das Thema der Homoerotik in seinem Schaffen als kaum beachtet darstellt, wirkt da etwas befremdlich.

Aber gut. Der Ort, wo Homoerotik mit am deutlichsten zutage tritt, das sind eher sperrige Arbeiten wie seine Filme. Als Beispiel dafür wird ganz am Ende der 16-mm-Film „Vinyl“ von 1965 gezeigt. Zur improvisierten Handlung gehört beiläufiger Geschlechtsverkehr. Auch die Factory selbst steht am Schluss und wird neben „Vinyl“ etwa durch Richard Avedons Gruppenporträts von Warhol & Co verhandelt. Der Beginn? Ein Klassiker: Warhols „Triple Elvis“, 1963, gefolgt von einem Knalleffekt, dem bunt bemalten BMW Art Car M1 von 1979, das sicherlich meist fotografierte Motiv der Schau. Daneben: Zwei Selbstporträts von Warhol mit Perücke und eines von Haring mit grünem Gesicht und einer Schlange als Hand. Bei „Andy Mouse“ hat Haring Warhol und Micky Maus verschmelzen lassen, in sechsfacher Ausführung und mit Dollarzeichen dazwischen. Als Hinweis auf das Serielle und die Selbstvermarktung als wichtige Elemente in Warhols Kunst. Von beiden gestaltete Schallplatten gibt es auch und dazu unter „Party of Life“ auf Spotify eine hörenswerte Playlist. Man fragt sich: Wie würden die beiden Vermarktungs-Stars das Internet heute nutzen? Stattdessen gibt es die TV-Shows, die Warhol unter anderem für MTV gemacht hat. In den Kabinetten geht es um Themen wie „Politik“, „Gender & Begehren“ sowie „Nach der Party“, was den Einzug von AIDS in die Kunst- und Schwulen-Szene meint. Haring ist 1990 an den Folgen einer HIV-Infektion gestorben. Eine politische Kuriosität: „Andy Warhol für die Grünen“, ein Wahlplakat, zu dem Joseph Beuys seinen Kollegen überredet hatte.

Im Kapitel „Szenegänger:innen“ geht es unter anderem um die Freundschaft der beiden zu Madonna und Grace Jones. Mit „Ladies und Gentlemen“ wird eine der größten Werkgruppen von Warhol gezeigt, für die er im Auftrag unbekannte Transvestiten darstellte. Mit Harings „Subway Drawings“ wird wiederum dessen Bezug zur Graffiti-Kultur thematisiert, ohne die seine berühmten Figuren undenkbar wären. Diese sind heute selbst längst Pop, wie Warhol machte auch Haring sich zur Marke. Dass Marketing-Abteilungen umgekehrt ihre künstlerischen Strategien kopieren, kann man den beiden vielleicht nicht anlasten. Die Ausstellung hätte das aber noch etwas mehr thematisieren können.