Richard McGuire: Then and There. Here and Now.
Cartoonmuseum Basel, St. Alban-Vorstadt 28, Basel.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 3. November 2024.
www.cartoonmuseum.ch
Zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen: Christoph Merian Verlag, Basel 2024, 144 S., 39 Euro | ca. 39 Franken.
Generationen von Autorinnen und Autoren haben sich an der Zeit abgearbeitet, die Irrwege eines Tages auf knapp tausend Seiten geschildert oder die Zeit zu einem Augenblick kondensiert und dabei nicht selten das Bild als eine Referenz herangezogen. Doch sobald es erzählend werden soll, braucht es das oft etwa lahme Nacheinander der Ereignisse – allen Flashbacks zum Trotz. Auch die Graphic Novel ist durch die Panels auf die Linearität angewiesen. Insofern ist Richard McGuires Buch „Here“, dessen Grundidee 1989 im Magazine Raw veröffentlicht wurde, ein wirklicher Wurf. Vor gut zehn Jahren formulierte McGuire diese ersten sechs Seiten auf dreihundert aus, derzeit entsteht sogar ein Spielfilm unter der Regie von Robert Zemeckis. McGuire setzt an der radikalen Einheit des Ortes an. „Here“ ist jedoch nicht die immer gleiche Ecke eines Wohnzimmers in einem 1906 errichteten Gebäude. Es ist eher so als hätte ein allmächtiger Erzähler eine Bewegungskamera aufgestellt, die alles aufgenommen hat und aufnimmt, was hier einmal passierte und passieren wird: Dinosaurier, jagende und sich liebende Ureinwohner, Familienglück, Trauer, Triviales. Und während meist auf der Doppelseite verschiedene Bilder eingelassen sind mit Rückblicken und Vorausschauen, oft vage motivisch miteinander verbunden, wirkt die letzte ziemlich aufgeräumt. Eine Frau greift zu einem Buch auf dem Couchtisch und sagt zu sich: „Now I remember“. Die Seite ist mit dem Jahr 1957 überschrieben, es ist das Geburtsjahr des Künstlers.
Und genau dies macht nun das Cartoonmuseum Basel – es zeigt eine Retrospektive des US-amerikanischen Zeichners, Illustrators, Autors und Musikers, die konsequenterweise „Then and There, Here and Now“ heißt. Seinem Hauptwerk „Here“ ist in Basel ein ganzer Raum gewidmet, man kann sich durch die Seiten klicken oder die Vorstudien und Zeichnungen an den Wänden betrachten. Für die Zeit seiner Jugend hat McGuire – so ist in Vitrinen zu sehen – Familienfotos für Kleidung, Interieur und Habit als Vorlage genommen. Doch die Ausstellung beginnt mit jenem Ort, der für McGuires künstlerische Entwicklung nicht hoch genug einzuschätzen ist: New York. Als Richard McGuire 1979 in die Metropole zieht, passiert vieles gleichzeitig. Er beginnt in einer Galerie zu jobben, er verfolgt eigene Projekte und er spielt Bass in der Post-Punk-Band Liquid Liquid. Ein sprechender Bandname – Verfestigungen scheinen nicht sein Ding zu sein. McGuire entwirft für Liquid Liquid Plakate und wenn er sie nachts klebt, platziert er daneben Zeichnungen mit schwarzem Strich auf braunem Recyclingpapier. Nix nennt er diese Figur, die eingebettet ist in ein All-Over aus Strichen und Schrift. Eine Animation in diesem ersten Raum im Basler Cartoonmuseum zeigt, wie alles auseinander hervorgeht; aus dem Tier wird ein Mensch, wird ein Ornament, aus einer Treppe ein Abhang.
Nicht einmal seine Cover, die für den New Yorker oder die New York Times entstanden sind, lassen sich auf einen Blick erfassen. Für die Neujahrsausgabe des New Yorker von 1993 hat McGuire einen Janus als Titel entworfen. So schaut uns einmal ein alter Mann mit Bart vor der Skyline einer Großstadt neben einem Stundenglas an. Dreht man das Blatt, dann sieht man einen Jungen mit einer Haartolle. Es ist jeweils die vergehende Lebenszeit, die die beiden Alter miteinander verbindet. Ein anderes Cover gleicht einem Wimmelbild. Hier lässt sich verfolgen, wie Richard McGuire mit unterschiedlichen Farben auf transparentem Papier die Wirkung testet. Ein Schnellzeichner ist er definitiv nicht – auch insofern ist die Zeit ein bleibendes Thema in seinem Werk. Neuere Arbeiten verknüpfen erneut Sound und die vergehende Zeit. So sieht man in einem Video im Basler Cartoonmuseum, wie Richard McGuire den Gesang einer Spottdrossel von einer Audiodatei abhört und in eine Zeichnung umsetzt. Auf dem Papier entsteht ein vertikales, symmetrisches Ornament mit mal längeren, mal kürzeren Ausschlägen. Sozusagen ein Here and Then.