Steiner & Lenzlinger: Der Eilige Geist kommt zur Ruhe.
Kloster Schönthal, Langenbruck.
Bis 3. November 2024.
www.schoenthal.ch
Schon das Plakat ist ein Hingucker: Vor einem bunten Strahlenkranz sitzt eine Taube mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Laib Brot. Das Wesen scheint noch nicht ganz geschlüpft, kann nichts sehen, weil eine riesige Eierschale noch auf seinem Kopf sitzt. Der Blick nach innen ist gefordert. Einen Aufruf zur Entschleunigung und Abkehr vom Alltagsstress unterstreicht auch der Titel – „Der Eilige Geist kommt zur Ruhe“ –, eine humorvolle Anspielung auf die himmlischen Erscheinung. Das Künstlerduo Steiner & Lenzlinger hat die Geschichte des Klosters Schönthal als Wallfahrtsort erforscht und dazu in Kirchenraum und Umgebung ein installatives Gesamtkunstwerk errichtet, das von einem reichhaltigen Programm mit Brotbacken und vertiefenden Fachvorträgen begleitet wird. Seit Beginn ihrer Zusammenarbeit 1997 erschaffen die beiden üppige, mit allen Sinnen erlebbare Universen aus natürlichen Fundstücken und gefertigten Objekten. Wachstum, Transformation der Natur und Kristallisationsprozesse sind ein wichtiger Teil davon. So waren sie an der Expo.02 mit der riesigen „Heimatmaschine“ oder an der Biennale von Venedig 2003 mit dem „Fallenden Garten“ in der Kirche von San Stae vertreten. Zu den jüngsten Präsentationen 2024 zählen COPAIN im FRAC in Marseille und ein Projekt für eine Pariser Metrostation.
Die Eröffnung der Schau im Kloster Schönthal wurde mit einer eindrücklichen Prozession gefeiert. Ausgehend vom Wohnort der Kunstschaffenden, dem Dorf Langenbruck, ein Katzensprung von der Abtei entfernt, zogen rund 1000 Menschen zum Kloster. Einige mit Brotteigen im Gepäck, um sie in den grossen Öfen vor Ort zu backen. Im Menschenstrom dabei waren verkleidete Kirchenfürsten, Möchtegernheilige oder kostümierte Nonnen. Auf einer Bahre transportierten Weißgekleidete ein monumentales Ei und ein Mönch offerierte den „Wallfahrenden“ ihre Kümmernisse zu tragen. Dazu spielte die Dorfkapelle auf und der Jugendturnverein bot Akrobatisches. Vorbei ging es an performenden Säulenheiligen im Wald und verschiedenen Andachtsstationen, so einer Gedenkstätte für überfahrene Feuersalamander. Spirituelle Nothelfer luden zum Nachdenken über ökologische Themen. Angekommen am sakralen Ort kann das Kirchenschiff mit drei fulminanten Hauptaltären, die Brot, Wasser und Salz gewidmet sind, erlebt werden. Dazu gesellen sich weitere zehn Nebenaltäre, mit fantasievollen Installationen, die den Kreislauf und die Schönheit des Lebens feiern. Ein düsterer „Handy God“ aus recycelten Mobiles blickt streng von der Wand und im Souvenirladen gibt es Andenken für die Pilger:innen zu kaufen.
Das Künstlerpaar übersetzt christliche Codes mit einem Augenzwinkern und verwandelt historische Ereignisse, wie die Plünderung des Klosters im Jahr 1525, in ihr Gegenteil: gefeiert wird die Glaubensfreiheit. Das Kloster Schönthal ist gar bis November, mit dem bekannten Jakobspilgerweg, der über Mariastein und Beinwil führt, verbunden. Weitere Informationen und künstlerische Altäre, wie im neuen Kunsthaus BL auf dem Dreispitz und im Dienstraum am Bahnhof Olten, sind auf der digitalen Karte im Netz abrufbar.