Paul Ege Kunstpreis 2024: Kelly Tissot.
PEAC Museum, Robert-Bunsen-Str. 5, Freiburg.
Dienstag bis Freitag, Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 21. Juli 2024.
www.peac.digital
Vor wenigen Wochen erhielt Kelly Tissot (*1995) den alle drei Jahre vergebenen Paul Ege Kunstpreis. In ihrer aktuellen Ausstellung im Freiburger PEAC Museum zeigt die in Basel lebende Französin derzeit neben Käfigskulpturen von 2022 auch ihre jüngsten Arbeiten. Sechs großformatige Schwarzweiß-Fotografien, auf Leinwand geplottet und in Stahlrahmen gefasst, dokumentieren hier die verbeulten Oberflächen von Autos, demoliert bei Stock Car-Rennen in Tissots Heimat im Haute-Savoie. Auf den ersten Blick wirken die Motive wie abstrakte Landschaften aus Gittern, Rohren, Blech und Schaumstoff, mit roher Gewalt ins Bild gepresst und hart angeschnitten. Die Startnummern, per Schablone auf den blinden Lack gesprüht, geben diesen Schrottauto-Porträts eine nervöse Dringlichkeit, das Startsignal jederzeit im Ohr. Doch tatsächlich erzählen Tissots Bilder weniger von Wettkampf und Konkurrenz als von der Liebe und der Kreativität, die die Menschen in das Flicken und Tunen ihrer Autos investieren – und von der fröhlichen Intimität, die der Tanz der rempelnden Stock Cars auf dem Race Course erzeugt wie ein Moshpit beim Punk-Konzert. „Youth / Bows, Bones and Ribbons“ lautet nicht zufällig der Titel dieser Serie, zugleich inspiriert von Subkulturen der Landjugend und von Kultfilmen des Petrozeitalters wie „Mad Max“ oder Quentin Tarantinos „Death Proof“.
Das ist typisch für Kelly Tissot. Selbst im ländlichen Frankreich aufgewachsen, gleich hinter der Schweizer Grenze, unweit der Finanzmetropole Genf mit ihren Luxusboutiquen und den weißen Yachten auf dem Lac Léman, interessiert sich die junge Künstlerin für die Kultur, die das Leben in der landwirtschaftlich geprägten Provinz hervorbringt, abseits aller romantischen Vorstellungen von Ursprünglichkeit. Tissot macht keinen Hehl daraus, dass diese Provinz ein riesiges Industriegebiet ist, geprägt vom andauernden Überlebenskampf und der tiefen Melancholie angesichts der Erkenntnis, dass dieser mit Maschinen und Chemie geführte Kampf langsam unsere eigenen Lebensgrundlagen aufzuzehren droht. Schon in den frühen Serien, die während ihres Studiums in Lausanne und Basel entstanden, entwickelte Tissot einen klaren Blick für die paradoxe Schönheit des Landlebens und erkundete die seltsame Gleichzeitigkeiten von harter Arbeit und Langeweile, Zuneigung und Ausbeutung zwischen Mensch und Tier oder des wohligen Gefühls der Abgeschiedenheit und der Kränkung des Abgehängtseins. Die minimalistischen Installationen, zwischen denen Tissot ihre Fotografien seit geraumer Zeit inszeniert, greifen Architekturformen wie Viehgatter oder Stallboxen auf. Auch die Stahlobjekte aus ihrer aktuellen Soloschau im PEAC Museum verorten die Schrottcollagen der „Youth“-Serie im ländlichen Raum – sie erinnern an die Heuballen, die Stock Car-Rennstrecken als Aufprallschutz säumen.