Leni Hoffmann, UBIK – un pezzolino da cielo: Das Bild muss in den Raum

Leni Hoffmann
Leni Hoffmann, BAZOOKA, Courtesy the artist, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Review > Karlsruhe > Städtische Galerie Karlsruhe
17. Juli 2024
Text: Dietrich Roeschmann

Leni Hoffmann: UBIK – un pezzolino da cielo.
Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstr. 27, Karlsruhe.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 25. August 2024.
www.staedtische-galerie.de

Leni Hoffmann
Leni Hoffmann, sid, Courtesy the artist, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Leni Hoffmann
Leni Hoffmann, Langer Atem, Courtesy the artist, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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Leni Hoffmann, IBI, Courtesy the artist, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Die Bilder von Leni Hoffmann schmatzen leise unter den Füßen. Vor Eröffnung ihrer Soloschau „UBIK“ in der Städtischen Galerie Karlsruhe kniete die Malerin mit ihrem Team hier Tage lang am Boden und rollte per Nudelholz zentnerweise Knete aus. Die drei elliptischen Formen in Magenta, Gelb und Blau, die auf diese Weise entstanden, sind jeweils gut acht Meter lang und liegen als begehbares Bild jetzt auf dem Parkett wie riesige Surfbretter. Seit Langem entwickelt die Künstlerin solche Modelle der „wechselseitigen Dynamisierung“ von Betrachtenden und Betrachtetem, wie sie das einmal nannte – und lässt gezielt offen, ob es sich dabei nun um Malerei, Skulptur, Installation, Architektur oder um Versuchsanordnungen für kollektive Bildbearbeitungen handelt.

Leni Hoffmann lehrt Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, doch was sie ihren Studierenden beibringt, ist nicht in erster Linie der Umgang mit Pinsel, Farbe und Leinwand, sondern das Lesen von Räumen. Auch mit ihren eigenen ortsspezifischen Arbeiten reagiert sie auf räumliche und zeitliche Situationen, macht sie sichtbar und erfahrbar. Dafür zitiert sie gerne den russischen Konstruktivisten El Lissitzky, dessen Bände sie zusammen mit anderen Lieblingsbüchern auch schon mal zu Sockeln für ihre Arbeiten stapelt: „Bilder müssen von der Wand in den Raum, sie müssen Architektur werden“. Hoffmann macht mit dieser frühen Forderung einer entgrenzten Malerei auf radikale Weise Ernst. Ihre Bilder sind überall und in jeder denkbaren Erscheinung im Haus zu finden: Als Schüttung von Mauerputz unter der Hallendecke oder als gelbe Knet-Ummantelung eines Geländers; als Haufen gerollter Druckbögen in Grün und Blau, die weich auf senkrecht an die Wand gelehnten Gitterrosten ruhen, oder als Lückenbüßer, in leuchtendem Rot in einen schmalen Schacht zwischen Wand und Treppenaufgang hineingeknetet. Hoffmanns Bilder markieren unscheinbare Orte oder schaffen temporäre Architekturen aus bemalten Kartons, sie entstehen aus farbigen, über Handläufe und Stellwände verspannten Stromkabeln oder sie überwinden Räume, wie die als hängende Farbfelder arrangierten alten LKW-Planen, die durch Schlitze in der Wand verschwinden und auf der Rückseite in neuer Konstellation wieder auftauchen – in einst grellen Tönen wie Gelb, Blau, Violett, Orange. Überhaupt ist Hoffmanns Palette klar im Popdesign der Neunziger geerdet. Das gilt auch für die Flyer, Plakate, Buch- und Plattencover, die sie in den letzten 30 Jahren gestaltet hat und die nun hundertfach in großen Vitrinen in Karlsruhe ausliegen. Sie erzählen auch von einer enormen Lust an Kollaboration: Bei vielen Ausstellungen lud sie aktuelle oder ehemalige Studierende aus ihrer Klasse zur Zusammenarbeit ein. Ein Video etwa zeigt Hoffmann beim Malen eines ihrer Endlosbilder an der Rotationsmaschine einer Zeitungsdruckerei. Aus Düsen träufelt sie Farbe auf das Papier, das unter ihr 20 Kilometer am Stück über die Rollen rast. Die Kontrolle der Farbregler hat sie jungen Kunstschaffenden überlassen. In Karlsruhe verschachtelt Hoffmann verschiedene Zustände und Realitäten des Bildermachens und der Autorschaft miteinander, so dass am Ende angenehm offen bleibt, wo hier genau die Grenze zwischen Bild und Raum verläuft, zwischen Wahrnehmen und Handeln, Individuum und Kollektiv, Kunst und Nichtkunst. Man könnte in dieser Offenheit das utopische Versprechen ihrer Kunst sehen, das im Untertitel der Schau anklingt – „un pezzolino da cielo“, ein Stückchen Himmel.

Am Ende des Rundgangs hängt ein in großen Teilen durchgestrichener Text an der Wand, basierend auf einer Mail Hoffmanns an das Goethe-Institut Kyoto, das sie 2019 zu einer Ausstellung eingeladen hatte. Die wenigen noch lesbaren Worte fügen sich zu einer Art poetischem Manifest über ihre Arbeit: „Öffentlicher Raum als Bildraum“ steht da zu lesen, „reden – leider. Gerne“, „endlich bei den Menschen“, „Teilhabe“ oder „Gutai“. Letztere war eine japanische Avantgarde-Gruppe, die sich 1954 mit dem Ziel gegründet hatte, die Abstraktion hinter sich zu lassen und stattdessen auf die Entfesselung der reinen Kreativität setzte. Punk wurzelte darin ebenso wie Fluxus. Und auch Leni Hoffmanns Arbeiten sind bis heute inspiriert von den Aktionen und dem Namen dieser Gruppe, den sie als Imperativ liest: konkret, spontan, direkt.