Rebecca Horn: Tanz der Maschinen

Rebecca Horn
Rebecca Horn, Ausstellungsansicht, Haus der Kunst München, 2024, Foto: Markus Tretter, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Review > München > Haus der Kunst
2. Juli 2024
Text: Jürgen Moises

Rebecca Horn.
Haus der Kunst. Prinzregentenstr. 1, München.
Montag, Mittwoch bisSonntag 10.00 bis 20.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 22.00 Uhr.
Bis 13. Oktober 2024.
www.hausderkunst.de

Rebecca Horn
Rebecca Horn, Ausstellungsansicht, Haus der Kunst München, 2024, Foto: Markus Tretter, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Rebecca Horn
Rebecca Horn, Ausstellungsansicht, Haus der Kunst München, 2024, Foto: Markus Tretter, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Rebecca Horn
Rebecca Horn, Ausstellungsansicht, Haus der Kunst München, 2024, Foto: Markus Tretter, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Bei Künstlicher Intelligenz dachte man früher an böse Maschinen, die irgendwann die Herrschaft übernehmen. Aber nun tritt die KI stattdessen als Autorin, Designerin, Künstlerin und Musikerin auf und versetzt die Kreativbranche in Angst. Dabei gab es auch schon vor Dall-E & Co maschinelle Künstler, wie man aktuell in der Retrospektive von Rebecca Horn im Münchner Haus der Kunst sehen kann. Darin lässt eine von der Künstlerin entworfene „Malmaschine“ von 1991 mithilfe von Tinte und Champagner in zwei Glastrichtern und einer mechanisierten Spritzenkonstruktion abstrakte Wandbilder entstehen. Auch hier wird der Künstler quasi abgeschafft. Aber laut den Kuratorinnen Jana Baumann mit Radia Soukni ist es konkret der Mythos vom männlichen Genius, den Horn mit dieser Maschinen-Version von Jackson Pollock beerdigt.

Apparaturen wie der „Malmaschine“ begegnet man in der Ausstellung immer wieder, deren Anlass Rebecca Horns 80. Geburtstag im vergangenen März ist. Mit der Soloschau führt das Haus der Kunst unter Andrea Lissoni seinen Retrospektiven-Reigen fort, mit dem es unter dem Schlüsselbegriff der „Performanz“ große, teilweise wiederentdeckte Künstlerinnen wie Joan Jonas, Meredith Monk oder Katalin Ladik ehrt. Nun also Rebecca Horn als Grande Dame der deutschen Kunst, wobei sich die Bildhauerin, Aktionskünstlerin und Filmemacherin einer nationalen Zuordnung immer entzogen hat. Tatsächlich zog Horn schon früh nach New York und tauchte in Manhattan in die Fluxus- und Experimentalfilm-Szene um Künstler wie Andy Warhol oder John Baldessari ein. Davor hatte Harald Szeemann die damals 28-Jährige 1972 auf die Documenta geholt. Als jüngste Künstlerin, die je an einer Documenta teilnahm.

Aber zurück zu den Maschinen, die oft faszinieren, teils amüsieren, aber niemals wirklich ängstigen. Auch wenn etwa bei der Arbeit „Liebe und Hass. Knuggle Dome for James Joyce“ (2004) jeweils vier Messer aufeinander losgehen. Oder wenn gleich im Eingangsraum beim „Kuss des Rhinozeros“ (1989) die Funken fliegen. Hier vereinigen sich zwei von einem Motor angetriebene Metallstäbe zu einem geschlossenen Kreis und es blitzt, was wie ein elektrisierender Kuss wirkt. Auch in der großen Mittelhalle funkt es. Dort türmen sich verkeilte Metallbetten aus einer psychiatrischen Klinik in die Höhe, die von elektrisch geladenen Drähten umschlungen sind. Beim vom Balkankrieg inspirierten „Turm der Namenlosen“ (1994) strecken sich verkeilte Holzleitern in die Luft. Daran sind Geigen montiert, denen motorisierte Bögen geisterhaft Klänge entlocken. Und bei „Concert for Anarchy“ (2006), ihr vielleicht bekanntestes Werk, kotzt ein falschherum an der Decke hängendes Piano alle paar Minuten seine Tasten aus. Eine Revanche für den Klavierunterricht, den die Tochter eines Textilfabrikanten als Kind hatte?

Das Ballett findet sich als autobiografisches Motiv jedenfalls mehrfach in Horns Werk, wie etwa im 1978 in New York entstandenen Film „Der Eintänzer“. In Installationen wie „Circle for Broken Landscape“ (1997) kritisiert Horn die menschliche Ausbeutung der Natur. Und in späten Werken wie „Hauchkörper“ (2017) lässt die seit einem Schlaganfall im Jahr 2015 nicht mehr öffentlich auftretende Künstlerin mit bewegten Messingstäben Natur simulieren. Das könnte eine futuristische Version der Wiese sein, durch die Horn im Kurzfilm „Einhorn“ von 1970 – ihre „Eintrittskarte“ für die Documenta – eine halbnackte Frau mit einem Horn auf dem Kopf schreiten ließ. Das „Einhorn“ gehört zu einer Reihe früher Performance-Filmen, die das Haus der Kunst für die Ausstellung neu digitalisieren ließ und in denen Freunde wie Otto Sander oder Sigmar Polke auftreten. In „Feather Fingers“ (1972) kratzt Horn mit langen Handschuhfingern die Wände entlang, in „Bleistiftmaske“ (1973) zeichnet sie mit dem Kopf Striche an die Wand. Schon hier arbeitet sie als „eine Art Cyberpunk“, so Andrea Lissoni, mit Körpererweiterungen, die den Körper bald darauf ersetzen. Und vielleicht ist das ja wirklich die Zukunft der Kunst. Aber nicht als Schreckensversion, sondern eher im Sinne einer poetisch-utopischen Metamorphose.