Nika Son

Nika Son, Scatter, no turn, 2024, Videostill, Courtesy the artist
Review > Bremen > GAK – Gesellschaft für aktuelle Kunst
2. Juli 2024
Text: Radek Krolczyk

Gesellschaft für aktuelle Kunst,
Teerhof 21, Bremen.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.00 Uhr.

Bis 4. August 2024.

www.gak-bremen.de

Nika Son, Scatter, no turn, 2024, Videostill, Courtesy the artist
Nika Son, Scatter, no turn, 2024, Videostill, Courtesy the artist
Nika Son, Scatter, no turn, 2024, Videostill, Courtesy the artist

[—artline Nord] Nika Sons „Scatter, no turn“ wirkt wie ein psychischer Zustand. Im abgedunkelten Ausstellungsraum ziehen nervöse Sounds und Videobilder ihre Runden. Lichter setzen sich an den Wänden ab und verschwinden wieder. Es ist alles viel zu wenig und es ist alles viel zu viel. So könnte ein Entzug aussehen, so könnte sich ein Entzug anhören, so könnte sich ein Entzug anfühlen. Nika Son – 1981 geboren, hat in Hamburg studiert – spricht selbst von nicht enden wollenden, schlaflosen Nächten, also von Schlafentzug. Dieses spärliche, nervöse Environment, das die Hamburger Musikerin und Zeichnerin hier eingerichtet hat, lässt sich aber auch allgemeiner fassen. Denn mit der Dunkelheit im Ausstellungsraum ist da zuallererst nichts. Einzig der Klang ist beinahe immer da. Er kommt in Wellenbewegungen, drängt sich auf und entzieht sich im selben Augenblick. Die elektronisch erzeugten, schweren Tonfolgen erscheinen mal schleppend, mal treibend. Dazu erklingen immer wieder Radiostimmen, Schritte, Geräusche aus der Produktion. Geräusche, die da sind, damit man sie sich später einbildet. Zwischen den Tönen, den Stimmen und den mechanischen und menschlichen Geräuschen wird jeder klare Gedanke, wird das Bewusstsein überhaupt, aufgerieben. Vor Bildern kann man die Augen verschließen, Klänge sind sehr viel eindringlicher und kaum zu beherrschen. Sie strömen in den Kopf, breiten sich aus, richten sich ein. Auch wenn sie schon längst verklungen sind, können sie immer noch da sein, wie ein Tinnitus. Man wird sie einfach nicht mehr los.

Die Videobilder auf den drei, weit voneinander entfernt hängenden Screens wirken da fast schon beruhigend. Sie laufen nicht durch, starten und enden ganz unerwartet, folgen schleppend in warmen Gelbtönen einem Treppenverlauf abwärts, dem Lauf einer Straße oder zeigen auch nur flackernde Farben und Lichter. Dann ist eine träge Folge von Bewegungen zu sehen. Aber wer bewegt sich? Wo? Und mit welchem Ziel? Tatsächlich sieht man die Menschen in der Ausstellung dem irregulären Aufblitzen der Videobilder hinterherlaufen. Auch wenn es eigentlich nichts Beruhigendes zu sehen gibt, scheinen die Bilder die Menschen zu beruhigen. Möglicherweise auch nur, weil es für die Augen auf einmal überhaupt etwas gibt, an das sie sich heften können. An einer Wand befindet sich ein aufgemalter roter Balken. Wenn man sich ihm nähert, geht über ihm das Licht an. Später auf den Videoscreens erscheint er immer wieder. Dann setzt er sich auf der Netzhaut fest, wie eine Art Nachbild auf der Iris, nach einem Blick in die Sonne. Nach dem Verlassen des Raumes wieder auf der Straße im Licht noch dieser Gedanke: hoffentlich gelingt der Schlaf heute Nacht.