Kiki Kogelnik: Now Is the Time.
Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, Zürich. Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 14. Juli 2024.
www.kunsthaus.ch
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Kehrer Verlag, Heidelberg 2023, 280 S., 45 Euro | ca. 59.90 Franken.
Wirklich zufrieden sieht die junge Frau nicht aus auf dem Gemälde, das die Besucher:innen der Retrospektive von Kiki Kogelnik (1935-1997) im Kunsthaus Zürich empfängt. Die Hände im dunkelgrünen Wollpullover vergraben, den Blick unter einem schräg sitzenden Barett skeptisch in die Welt gerichtet, steht sie breitbeinig in Stiefeln zwischen metallisch schillernden Buchstaben, die sich zu einer ambivalenten Botschaft sortieren: „I Have Seen The Future“. 1973, als das Bild entstand, lebte die in Graz geborene Künstlerin seit mehr als einem Jahrzehnt in New York. Der US-amerikanische Maler Sam Francis hatte sie Anfang der 1960er Jahre dazu überredet, nachdem er ihre Gemälde in einer Gruppenschau in der Wiener Galerie St. Stephan gesehen hatte. Dafür gebe es in den USA einen Markt: Gestische, farbsatte Abstraktionen, die pop-affine Titel trugen wie „I Lost My Chewing Gum“, „Mann mit quadratischem Herz“ und immer wieder „Marilyn“. Die Galerie St. Stephan, gegründet von dem kunstbegeisterten Domprediger Monsignore Otto Mauer, vertrat damals die junge Wiener Avantgarde, neben Kiki Kogelnik auch Arnulf Rainer und Maria Lassnig. Hier hatte Kogelnik 1962 ihre erste Einzelausstellung, die in Zürich gleich zu Beginn der chronologisch gehängten Werkschau nun nahezu vollständig rekonstruiert wurde. Es war eine Art Abschied, denn danach war für die junge Malerin nichts mehr so wie vorher.
Schon wenige Monate nach ihrer Ankunft in New York spielten Pinsel und Gestus in ihrer Kunst keine Rolle mehr. Stattdessen begann sie mit Druckrastern zu experimentieren, mit Airbrush und Sprühschablonen, mit Alu und Vinyl. Nur die grellen Farben blieben. „Fly Me to the Moon“ von 1963, eines der ersten Bilder, die hier entstanden, zeigten bereits die ganze Palette, die ihr später den Ruf eintragen würden, „die einzige Pop-Art-Künstlerin Österreichs“ zu sein. Auf einem silberfarben gepunkteten Rastergrund ließ sie neben einem Raketenbausatz zwei Figuren mit Astronautenhelmen durch den Bildraum schweben. Der Titel lieferte den imaginären Soundtrack dazu – Peggy Lee, Nancy Wilson und Julie London waren mit diesem Song gerade in Dauerschleife in den Charts. Neben Raketen und Raumfahrerinnen fanden sich auch Roboter und Bomben auf ihren Bildern ein, zu denen sich Skulpturen gesellten, zusammengeschweisst etwa aus gefundenen Geschosshülsen, Hand in Hand und bunt besprüht. Statt die Zähne zu fletschen demonstrierten diese „Bombs in Love“ Harmonie. Der aggressive Optimismus, den Kogelnik in diesen Arbeiten an den Tag legte, atmet bis heute manchmal auf beinahe parodistische Weise den Zeitgeist der Sechziger und nahm ihn zugleich kritisch in den Blick, aus feministischer Perspektive. Ausgehend von zeitgenössischen Geschlechterstereotypen in der Werbung und in Modemagazinen demontierte sie den weiblichen Körper in ihrer Malerei, brachte ihn die Fläche, machte ihn als soziales, politisches oder popkulturelles Konstrukt sichtbar. Auf seine warenförmige Objektivierung in den Medien reagierte sie mit der Schablonenhaftigkeit ihrer Bilder und wies damit zugleich das Versprechen des Kapitalismus zurück, dass jede und jeder in diesem System die Möglichkeit zur freien Entfaltung habe. Sie selbst sah sich gerne mittendrin, mit der Schere in der Hand als „Waffe der Frau“, die Altes zerschneidet, um Neues zu schaffen. Als Ergebnis hängte sie dann auch schon mal Vinyl-Cutouts der Körpersilhouetten ihrer männlichen Kollegen wie Wäsche zum Trocknen in den Kunstraum oder schuf neonbunte, strahlende Porträtcollagen von Heroinen der Selbstermächtigung, die tatsächlich die Zukunft gesehen zu haben schienen – eine Zukunft ohne Patriarchat. Oder vielleicht war es auch die Vergangenheit, vor dem Patriarchat. Die Hände jedenfalls, die immer wieder auf ihren Bildern auftauchen, wirken wie Verweise auf Handabdrücke in prähistorischen Höhlenmalereien, die jüngsten Forschungen zufolge vor allem von Frauen stammen. Die Künstlerin Mai-Thu Perret vergleicht die intensive Wirkung von Kiki Kogelniks Arbeiten in ihrem lesenswerten Katalogtext sehr passend mit den Songs der Sängerin Poly Styrene von X-Ray-Spex – „diese punkige Konsumkritik, ihr Verständnis vom Kapitalismus als eine Form von Gefangenschaft, aber auch als Befreiung von Tradition und Vergangenheit“.