Akinbode Akinbiye: Spaziergangwissenschaft mit der Kamera. Hannah Höch Preis 2024

Akinbode Akinbiyi, Manchmal heißt verloren sein gefunden werden, Installationsansicht Afrikanisches Viertel, Kunstverein Hannover, 2023, Foto: Mathias Völzke
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3. Juni 2024
Text: Kristina Tieke

Akinbode Akinbiyi:
Manchmal heißt verloren gehen gefunden werden / Sometimes to be lost is to be found.
Kunstverein Hannover,
Sophienstr. 2, Hannover.
Dienstag bis Samstag 12.00 bis 19.00 Uhr, Sonntag 11.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 21. Januar 2024.
www.kunstverein-hannover.de

Akinbode Akinbiyi: Being, Seing, Wandering. Hannah-Höch-Preis 2024
Berlinsche Galerie, Alte Jakobstr. 124-128, Berlin.
Mittwoch bis Montag 10.00 bis 18.00 Uhr.
8. Juni bis 14. Oktober 2024
berlinischegalerie.de

Akinbode Akinbiyi, Hannover Innenstadt, 2023, Manchmal heißt verloren sein gefunden werden, Kunstverein Hannover, 2023, Foto: Mathias Völzke
Akinbode Akinbiyi, Hannover Innenstadt und Herrenhausen, 2023, Manchmal heißt verloren sein gefunden werden, Kunstverein Hannover, 2023, Foto: Mathias Völzke
Akinbode Akinbiyi, Manchmal heißt verloren sein gefunden werden, Installationsansicht Fun and Games und Wie wir wohnen, Kunstverein Hannover, 2023, Foto: Mathias Völzke

Der Fotograf und Autor Akinbode Akinbiyi (*1946) erhält den Hannah-Höch-Preis 2024 des Landes Berlin. „Seine Bilder sind nuancenreiche visuelle Metaphern, die gesellschaftlichen Wandel und soziale Ausgrenzung ebenso thematisieren wie die politischen, sozialen und architekturgeschichtlichen Folgen des Kolonialismus”, heißt es in der Jurybegründung. Die Ausstellung zum Hannah-Höch-Preis ist in der Berlinischen Galerie zu sehen. Lesen Sie hier eine Rezension seiner Ausstellung im Kunstverein Hannover, die im Januar 2024 auf in der Nordausgabe des artline Kunstmagazins erschien:

[—artline NORD] „Born to enter“ steht als Leuchtschrift an der gläsernen Ladenfassade, die zur verschachtelten Architektur am Raschplatz hinter dem hannoverschen Hauptbahnhof gehört. Akinbode Akinbiyi hat den Ort wie ein Spiegelkabinett ins Bild gesetzt, in das man zwar eintreten, das man jedoch so schnell nicht wieder verlassen kann. In seinen komplexen Schwarz-Weiß-Aufnahmen prallen Details urbaner Räume aufeinander wie soziale Welten, deren Zeichen und Symbole einander bedrängen, überlagern und zu kommentieren scheinen – manchmal sprichwörtlich, wenn Werbeslogans und Graffiti prägnante Parolen liefern. Was wie eine nachträglich komponierte Collage wirkt, ist unser Alltagsambiente, das wir gestalten, in dem wir agieren und einander begegnen.

Akinbode Akinbiyi, 1946 als Kind nigerianischer Eltern in England geboren, ist Fotograf und Dichter, ein Spaziergänger im öffentlichen Raum. „Born to enter“ – geboren, um einzutreten – ließe sich also genauso gut als Attribut seiner Persönlichkeit lesen. Mit einer analogen Spiegelreflexkamera ist er in Megastädten wie Kairo, São Paulo, Johannesburg oder Berlin unterwegs, wo er seit Anfang der 1990er Jahre lebt. Er war Teilnehmer der Documenta 14 und zuletzt in „New Photography 2023“ im New Yorker Museum of Modern Art zu sehen. Jetzt hat ihm der Kunstverein Hannover eine Soloschau eingerichtet und neuen Anlass zu Stadtwanderungen gegeben.

Knapp ein Jahr lang ist Akinbiyi immer wieder nach Hannover gereist, um sich den flüchtigen Erscheinungen auf den Straßen zu widmen. In acht Kapitel gegliedert, mit Titeln wie „Rituale“, „Wie wir wohnen“ oder „Afrikanisches Viertel“, treffen etwa hundert Aufnahmen aus Hannover auch auf Arbeiten aus Akinbiyis Wahlheimat Berlin, dem mit „Hauptstadtblues“ ein eigener Raum gewidmet ist. Sein feinfühliger, niemals aufdringlicher Blick wird besonders schön in den „Passageways“ sichtbar, platziert im langgestreckten Oberlichtsaal, der selbst einem Transitraum gleicht. Hier lässt Akinbiyi das dynamische Treiben von Passanten im Ausschnitthaften seiner Fotografie zur Ruhe kommen. Denn Muße ist Voraussetzung seiner Kunst, die dem Unscheinbaren und Verdrängten zu Sichtbarkeit verhilft. Wer schließlich im Foyer des Kunstvereins im Passbildautomaten Platz nimmt, kommt selbst zur Ruhe. Das eigene Porträt wird im Zufallsverfahren mit drei Aufnahmen des Künstlers kombiniert. So entsteht eine Komposition (zum Mitnehmen), die uns zu Teilnahmer:innen macht und unsere Aufmerksamkeit bannt. Ganz individuell und noch einmal neu.