Decoding the Black Box: Transparent machen

!Mediengruppe Bitnik
!Mediengruppe Bitnik, Alexiety, 2023, Ausstellungsansicht Stadtgalerie Sindelfingen
Review > Sindelfingen > Galerie Stadt Sindelfingen
23. Mai 2024
Text: Anne Abelein

Decoding the Black Box.
Galerie Stadt Sindelfingen, Marktplatz 1, Sindelfingen.
Montag bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 16. Juni 2024.
www.galerie-sindelfingen.de 

Wer sich im Internet bewegt, macht sich transparent, Konzerne wie Google, Amazon und Co. hüllen sich dagegen in Schweigen, was ihre Methoden betrifft. Die Schau „Decoding the Black Box“ bringt Licht ins Dunkle: Evan Roth etwa hat für die Installation „Since you were born“ einen Raum mit allen Bildern tapeziert, die sein Browser-Cache seit der Geburt seiner viermonatigen Tochter gespeichert hat. Was, wenn man gehackt wird, und wozu nutzen die Internetkonzerne die Daten? Zum Beispiel um Bilderkennungsalgorithmen zu trainieren und zu kommerzialisieren, zeigt Adam Harveys Arbeit „Today’s Selfie is Tomorrow’s Biometric Profile. Think Privacy“. In dieser sieht sich der Betrachter einer Fläche von Spiegelkacheln im Instagram-Design gegenüber. Aufgrund von Trainingsmaterials mit ausschließlich Menschen von weißer Hautfarbe sind den Algorithmen jedoch Stereotypen eingeschrieben.

Mit Smart-Homes befassen sich die !Mediengruppe Bitnik & Low Jack sowie Jonas Lund. Erstere reizen für die Videoinstallation „Alexiety“ eine Handvoll Alexas, Siris und Co. mit eigens für sie komponierten Liedern zu gespenstischen Dialogen. Jonas Lund hat eine vermeintlich benutzerfreundliche Ausstellung gestaltet, in der sich Lampen und Ventilatoren einschalten und sogar per Mittelwert mutmaßlich für jedermann genehme Bilder generiert wurden. Wo hört die Benutzerfreundlichkeit auf, und wo beginnt die Manipulation? Andere Künstler hinterfragen die Authentizität von Bildern in einem postfaktischen Zeitalter: Wo verläuft die Grenze von Physischem und Digitalem, wenn in einem Video Betrachter mit 3D-Brille durch den nebligen Schwarzwald streifen, wie in Metahavens Installation „Information Skies“? Eryk Salvaggio hat mit KI sogar ein komplettes Deep-Fake-Video produziert, in dem eine Mutter und ihre Tochter wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in einer Wahlkampfveranstaltung von Sarah Palin gefangen sind. Eine Dystopie entwirft auch Chino Moya mit der Videoinstallation „Demonia“, in der sich Menschen einem Vierklassen-System der Effizienz und Produktivität mit Technokraten an der Spitze ausgeliefert haben. Sie kommt in klarer Renaissance-Ästhetik daher. Wie der totalen Überwachung entgehen? Die hochaktuelle, brisante Ausstellung liefert Anregungen; Aram Bartholls Arbeit „Dead Drops“ ermöglicht Ausstellungsbesuchern gemäß des Prinzips des toten Briefkastens über einen USB-Stick ohne Mitleser Daten abzurufen und zu hinterlassen. In Olsens „Digitalem Schlaraffenland“ schließlich kann man Codes umschreiben, indem man modifizierte Würfeln mit Nullen und Einsen in einer Art schwarzem Sandkasten neu anordnet. – Endlich eine Black Box, die alles offenlegt.