Libby Heaney, Quantensuppe: Die Logik des Qubits

Libby Heaney
Libby Heaney, Ent-, 2022, Installationsansicht in der Ausstellung „Quantensuppe“, 2024, HEK Basel, Foto: Franz Wamhof
Review > Basel > Haus der elektronischen Künste
2. Mai 2024
Text: Dietrich Roeschmann

Libby Heaney, Quantensuppe.
HEK, Haus der Elektronischen Künste, Freilager-Platz 9, Basel-Münchenstein.
Mittwoch bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 26. Mai 2024.
www.hek.ch

„Are you ready?“ Das Promo-Video, das im Basler HEK derzeit im Foyer läuft, bewirbt in einer Kamerafahrt über die funkelnde Architektur eines Quantenprozessors die glorreiche Zukunft von Supercomputern. Diese operieren nicht mehr nach der Logik von 0 und 1, sondern basieren auf Qubits, die verschiedene Zustände gleichzeitig verarbeiten können und so die Rechenleistung herkömmlicher Computer um ein Vielfaches übertreffen. Libby Heaney hat die Fake-PR-Animation nicht zufällig an den Beginn ihrer Ausstellung gestellt – als ironischen Kommentar zu den kühnsten Träumen der Quantencomputing-Industrie von Leistung, Macht, Effizienz und Kontrolle. Die britische Künstlerin und promovierte Physikerin hat anderes im Sinn mit ihren Arbeiten. Konzepte aus der Quantenphysik, sagt sie, würden ihr helfen, „Pluralitäten und Verschränkungen zwischen Technologie, der Welt und uns selbst zu verstehen“.

Ein schönes Beispiel dafür ist die 5-Kanal-Videoinstallation „Ent-“, die in ein dröhnendes Universum aus Quantenpartikeln entführt, belebt von hybriden Pflanzen und Tieren, für die sich Heaney von Hieronymus Boschs „Garten der Lüste“ inspirieren ließ. Auch der Boden ist hier Projektionsfläche, wodurch sich bald das Gefühl einstellt, keinen sicheren Grund unter den Füßen zu haben. An den Wänden mutieren Landschaften zu abstrakten Pattern, die sich in leuchtende Wolkengebirge oder bunte Unterwasserwelten auflösen. Schleimklumpen, Grassoden und Maschinenteile treiben durch den Raum und zerfallen im nächsten Moment in Tausende von Partikeln, die sich anderswo neu sortieren. Alles ist hier in Bewegung, alles in permanenter Veränderung und mit ihr auch die Besucher, die das Pulsieren der Umgebung reflektieren. Grundlagen für diese Animation sind Aquarelle, mit denen Libby Heaney das Ineinanderfließen der Pigmente als analoges Medium nutzt, um die Fluidität von Quantenpartikeln nachvollziehbar zu machen. Die Vorsilbe „Ent-“ verweist im Deutschen auf den Beginn eines Prozesses und repräsentiert für Heaney das Potenzial, das im Warten liegt und in der Aussicht, dass für eine Technologie noch alles offen ist, solange keine endgültigen Nutzungen, Märkte, Ziele abgesteckt sind. So ist es auch kein Zufall, dass sich Libby Heaney in ihrer Kunst für Quantenverschränkung interessiert. Bei diesem Phänomen können mehrere Quantenteilchen so miteinander verbunden sein, dass sie Veränderungen ihrer Zustände unabhängig von ihrer räumlichen Entfernung voneinander unmittelbar widerspiegeln. Heaney nennt diese Verbindung die „Magie der Quantenmechanik“. In einigen Installationen nutzt sie diese, um den plötzlichen Tod ihrer Schwester zu verarbeiten. Es sind traurige, tröstliche Arbeiten, die auf stille Weise davon erzählen, dass alles mit allem verbunden ist. Auch das Leben mit dem Tod.