Joachim Lenz: Melancholische Holzkerle

Joachim Lenz, Ohne Titel, 2024, Courtesy the artist
Review > Freiburg > Pförtnerhaus
9. April 2024
Text: Dietrich Roeschmann
Joachim Lenz, Ohne Titel, 2024, Courtesy the artist
Joachim Lenz, Ohne Titel, 2024, Courtesy the artist
Joachim Lenz, Ohne Titel, 2024, Courtesy the artist

Natürlich ist es nicht schön, wenn überall Bananenschalen und Zigarettenkippen herumliegen, achtlos weggeworfen und ohne Plan, wer das am Ende alles wegräumen soll. Andererseits: Was kann die Bananenschale dafür, dass sie nicht angemessen entsorgt wurde? Hätte nicht auch sie Grund, sich über die Person zu ärgern, die sie so gleichgültig dem Unmut der Öffentlichkeit aussetzt? Joachim Lenz hat etwas übrig für Dinge, die ungefragt auf der Straße liegen, als Zeichen unserer Nachlässigkeit. Abgenagt, aufgeraucht, fallen gelassen. Um diesen flüchtigen Relikten des Genusses die Wertschätzung zurückzugeben, die sie verdienen, greift er zum traditionellsten aller künstlerischen Medien – zur Malerei. Seine Bilder sind auf eine melancholische Weise komisch und auf bizarre Weise schön. Einige zeigt der in Berlin lebende Künstler, der in München bei Sean Scully und Günter Förg studierte, jetzt im Freiburger Pförtnerhaus.

Gleich an der Stirnwand hängt ein Großformat, über und über bedeckt mit ausgetretenen Kippen, die sich auf der Leinwand verteilen wie Badegäste auf einer Sonnenwiese. Entspannt fläzt daneben eine Bananenschale, die gelbe Haut an einen Apfel geschmiegt. Wo man mit etwas Fantasie das Gesicht einer liegenden Figur vermuten könnte, steckt eine qualmende Zigarette. Auch auf den anderen Bildern winden sich schmale weiße Rauchfähnchen empor. Die Kippen stecken hier in Astlöchern von Baumstümpfen, die aussehen wie Gesichter ohne Augen. Stumm posieren sie vor lehmfarbenen Hintergründen, zeigen ihre knorrige Rinde und lustvoll in Ölfarbe modellierten Jahresringe. Die Leichtigkeit des zum Himmel aufsteigenden Qualms steht in schönem Kontrast zur urtümlichen Verwurzelung, die diese Holzgesellen repräsentieren. Manche wirken wie entfernte Verwandte der traurigen, rauchenden Blockheads des US-Malers Philip Guston. Auch Lenz’ Baumkerlen haftet eine seltsam existenzielle Not an, und auch hier sind die ganz großen Themen des Lebens – Sinn, Vergänglichkeit, Tod – mit der Leichtigkeit eines Cartoons auf die Leinwand gebracht und zugleich ausgebremst durch die pastose Behäbigkeit der Ölfarbe, dass es eine Freude ist. „Extra Lights“ ist ein passender Titel für dieses große Malereikino im kleinsten Kunstraum der Stadt.