Klára Hosnedlová, Growth: Atavistische Zukunftsfantasien

Klára Hosnedlová
Klára Hosnedlová, GROWTH, Ausstellungsansicht, Kunsthalle Basel, 2024 (mit Performenden), Foto: Zdenek Porcal – Studio Flusser / Kunsthalle Basel
Review > Basel > Kunsthalle Basel
11. April 2024
Text: Annette Hoffmann

Klára Hosnedlová: GROWTH.
Kunsthalle Basel, Steinenberg 7, Basel.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis 20.30 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 20. Mai 2024.
www.kunsthallebasel.ch

Klára Hosnedlová
Klára Hosnedlová, Untitled (aus der Serie „To Infinity“), 2023, Foto: Zdenek Porcal – Studio Flusser / Kunsthalle Basel
Klára Hosnedlová
Klára Hosnedlová, GROWTH, Ausstellungsansicht, Kunsthalle Basel, 2024, Foto: Zdenek Porcal – Studio Flusser / Kunsthalle Basel
Klára Hosnedlová
Klára Hosnedlová, GROWTH, Ausstellungsansicht, Kunsthalle Basel, 2024, Foto: Zdenek Porcal – Studio Flusser / Kunsthalle Basel

Wenn die ersten Vernissagegäste Klára Hosnedlovás Ausstellungen betreten, sind die Performerinnen und Performer längst verschwunden. In der Kunsthalle Basel haben sie an einer Folie Spuren hinterlassen so als hätten sich hier Körper abgerieben. Hosnedlová (*1990) veröffentlicht Fotos von diesen Performances. Man sieht auf ihnen, wie junge Männer und Frauen beieinander stehen oder kauern und mit Dingen beschäftigt sind, die ein bisschen rätselhaft wirken. Man würde sich nicht wundern, wenn sie mit einem Zunder ein Feuer entfachen würden oder andernfalls über technische Geräte verfügten, von denen wir noch keine Ahnung haben. Die Kleidung, die die in Berlin lebende Künstlerin entworfen hat, betont durch herabhängende Bänder – wie auch die Haarextensions – die schlanke Silhouette der Performerinnen und Performer. Auch auf andere Weise sind diese in die Ausstellung gesickert. Jede Performance wird zum Motiv der folgenden Ausstellung. Hosnedlová nimmt Ausschnitte der Fotos zur Vorlage ihrer Stickbilder, die sie in ihre Wandarbeiten und Skulpturen einfasst.

Allein der Blick auf den Boden zeigt, dass hier Welten zusammen kommen, Klára Hosnedlová hat auf dem ehrwürdigen Fischgrätparkett der Kunsthalle Basel Betonplatten ausgelegt, die an die Gehwege des früheren Ostblocks erinnern und daran, wie der Fortschrittsoptimismus im wörtlichen Sinne ins Straucheln geraten konnte. In der Kunsthalle Basel sind die Platten zwar nicht zerborsten, doch es fehlen immer mal wieder welche. Dann schaut man auf Erdreich. Pfützen haben sich gebildet, es sieht nach Brache aus, wenn nicht nach Abbruchareal. Und man könnte schwören, dass hier nicht nur die Gegenwart, sondern zugleich die Zukunft auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist. Doch die im tschechischen Uherské Hradiště geborene Hosnedlová schafft in „Growth“ mit überdimensionierten Gussformen zugleich eine Szenografie, die wie aus einem Science-Fiction-Film wirkt.

Dass es zur Vergegenwärtigung dieser kollabierten Zukunft sehr viel Handarbeit braucht, ist einer dieser inhärenten Widersprüche der Ausstellung. Für die große Installation am Ende des Parcours hat Hosnedlová mit der letzten verbliebenen Leinenfabrik in der Tschechischen Republik zusammengearbeitet. Die Region hatte einmal eine sehr lebendige Textilindustrie, die Künstlerin nimmt darauf Bezug, indem sie medaillonförmige Bilder stickt. Selbst die Art, wie diese in die Formen aus Glas, Kunstharz und in die organisch wirkenden Betonobjekte eingefügt sind, erinnern an bestickte Stoffe. Hosnedlovás Stiche sind dabei so fein wie sehr zarte Linien, so dass man diese Bilder erst einmal für Malerei halten kann, die Schattierungen entstehen durch verschieden gefärbte Seidenfäden. Mehrere Wochen, wenn nicht Monate braucht sie für ein solches Bild, auf dem Fragmente von Körpern und sehr viele Hände zu sehen sind. Die gegossenen Objekte mit ihrer matten Oberfläche mögen kühl wirken, ihre Textilarbeiten umgibt etwas geradezu atavistisch Tröstliches. Anders als die Textilbetriebe in ihrer früheren Heimat kann es sich Hosnedlová leisten, sich Zeit zu nehmen. Was für die einen ein finanzieller Verlust war, steigert den Mehrwert der Kunst. Zu malen, so hat Hosnedlová einmal gesagt, sei ihr zu schnell und zu laut. Es eilt also nicht damit, dass das, was die Künstlerin in ihren Installationen imaginiert, Wirklichkeit wird.

Über architektonische Elemente wie ein freistehender Erdwall und die Passage mit den Spuren der Performance läuft die Ausstellung auf die raumfüllende Installation im letzten Raum zu, die aus mehreren, über drei Meter hohen Skulpturen besteht. Ein bisschen erinnert sie an groteske Fastnachtsfiguren aus Stroh. Zottig wie Fell klumpt das Leinenwerg in ungebleichten Naturtönen, das um gewebte Elemente gebunden ist. Extensions oder verfilzte Zöpfe und Stränge hängen herunter und bilden Ausläufer, die sich wie Wurzeln über die Betonplatten auf das Parkett ausstrecken, so als lösten diese Skulpturen das im Titel angekündigte Wachstum ein. Trotz ihrer immensen Größe und ihrer rauen Ausstrahlung wirken sie wie friedliche Riesen.