Suse Bauer: Malerei in das Material bringen

Suse Bauer, Atelieransicht 2023, Courtesy the artist
Preview > Jesteburg > Kunstverein Jesteburg
26. Januar 2024
Text: Peter Boué

Suse Bauer: Schneller ist mein Gedanke.
Kunstverein Jesteburg,
Hauptstr. 37, Jesteburg.
4. Februar bis April 2024.

www.kunstverein-jesteburg.de

Suse Bauer, Atelieransicht 2023, Courtesy the artist

[— artline Nord] Wie ein kostbarer Fund liegt das Werk auf der Kiste. Es scheint schon eine Geschichte hinter sich zu haben und ist doch nicht einmal fertig. Eine schimmernde Fläche von Farben, von Rot- bis Rosatönen, von Blau und Gelb durchzogen ist hier offenbar in diesem Block mit den starken Bruchstellen. Die Assoziationen zu Marmor sind so naheliegend wie folgerichtig, denn technisch gesehen handelt es sich hier um die Herstellung falschen Marmors mit Gips und Farbpigmenten, wie es als Verfahren schon in der Barockzeit verwendet wurde. Welche Form wird dieses Werk am Ende haben?

Die Künstlerin Suse Bauer ist 1979 in Erfurt geboren und lebt in Hamburg. Sie hat schon in den zurückliegenden Jahren mit Keramik gearbeitet, auch wenn ihr Beginn in der Malerei lag. Hier hat sie sich mit dem Formen- und Farbrepertoire der frühen Moderne des 20. Jahrhunderts und besonders mit den utopischen gesellschaftlichen Ideen vom russischen Konstruktivismus bis zum Bauhaus befasst – immer auch unter Einbeziehung des zeitgenössischen Designs und Dekors. Ihre Keramiken sind eigentlich zusammensetzte Bilder mit spezifischen farbigen Eigenheiten der oft glasierten Oberflächen, die auf rätselhafte Weise auf die Abstraktion der Moderne verweisen, aber doch ganz sie selbst sind. In ihren Skulpturen, die ebenso freie Formen im Raum sind und keinerlei Abbildcharakter besitzen, kommt jedoch das Spiel mit dem Außen und dem Innen hinzu. Hohlräume und Perforationen sind Bestandteile dieser Arbeiten, die sich auch mit beindruckend surrealen Sockeln im Raum behaupten. Ihre Werke müssen keine Titel haben, Bauer aber subsumiert sie unter Sätzen wie „Steine werden zu Städten“ oder „Zukunft löst sich auf in Gegenwart“. Diese sind Subtexte, die eher eine historische Schwingung als eine Einordnung bezeichnen: sie zielen auf unsere Kultur im Rückblick auf den Begriff der Zukunft in der Moderne, was jene war und wie diese beseitigt und durch die pure Gegenwart ersetzt wurde: „Der Abgrund unter mir heißt Zukunft“. Der Futurismus ist so auch im Werk von Suse Bauer in sein archäologisches Zeitalter gekommen. Ihre aktuellen Arbeiten, teils noch im Werden, sind noch nicht gezeigt worden. Sie sind mehr als zuvor Werke eines Fragmentarismus, die noch stärker das Innere und Äussere betonen: Suse Bauer spricht von der „Materialität einer Hülse“ und davon, „Malerei in das Material zu bekommen“: mit der Herstellung historischer Objekte wie gefälschtem Marmor und Werkzeugen, wie sie Stukkateure benutzen, zielt sie auf eine vertraute, aber doch fremdartige Schönheit.