Delphine Reist. Öl [Oil, Olio, Huile]: Effekte von Arbeit und Produktion

Delphine Reist
Delphine Reist, Huiles (Öle), 2023, Installationsansicht im Museum Tinguely, Basel, Courtesy the artist, Galerie Lange + Pult & Galerie Laurent Godin, © Delphine Reist, Foto: 2023, Museum Tinguely, Basel, Bettina Matthiesen
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3. Januar 2024

Delphine Reist, Öl (oil, olio, huille).

Museum Tinguely, Paul-Sacher-Anlage 1, Basel.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 14. Januar 2024.

www.tinguely.ch

Delphine Reist, Cartouches [Patronen], 2020, Courtesy the artist, © Delphine Reist, Foto: Stefan Rohner
Delphine Reist, Élévations (Aufriss), Detail, 2021, Courtesy the artist, Galerie Lange + Pult & Galerie Laurent Godin, © Delphine Reist, Foto: Elivier Christinat
Delphine Reist, Étagères [Regale], Installationsansicht im Museum Tinguely, Basel, Courtesy the artist, Galerie Lange + Pult & Galerie Laurent Godin, © Delphine Reist, Foto: 2023, Museum Tinguely, Basel, Bettina Matthiesen

Vom gläsernen Annex des Museum Tinguely aus gibt es viel zu sehen. Frachtschiffe kämpfen sich den Rhein stromaufwärts, beladen mit Baustoffen, Brennstoffen oder Chemie. Über ihnen donnern die LKWs über die Schwarzwaldbrücke, flankiert von Güterzügen im Minutentakt. Auf engstem Raum lässt sich hier die globale Warenzirkulation wie in einem Brennglas beobachten. Das ist beruhigend und beunruhigend zugleich, Muße und Maßlosigkeit. Für Delphine Reist (*1970) ist diese Aussicht eine perfekte Kulisse für ihre kurzweilige Soloschau „Öl [Oil, Olio, Huile]“. Seit langem beschäftigt sich die Genfer Künstlerin mit den Effekten von Arbeit und dem Rhythmus von Produktion, Effizienz und Erschöpfung. Am Boden des Annex präsentiert sie dazu Dutzende umgestoßener Eimer, aus denen sich Beton auf das Parkett ergießt, der Richtung des Flusses folgend. Arbeitet man sich gegen diesen Strom die sanfte Rampe zu den Ausstellungsräumen hinauf, lärmt einem hier bereits  eine ganze Armada von Schlagbohrern und Winkelschleifern entgegen. Von einem Bewegungsmelder ausgelöst, rasten die Elektrowerkzeuge in einem Stahlregal hinter Acrylglasscheibe aus wie wilde Tiere in einem Käfig. Grund genug dazu haben sie. „Ich erkunde in Objekten, die obsolet sind oder dabei sind, obsolet zu werden, ob man in ihnen auf gewisse Weise noch unsere Zukunft sehen kann“, sagt Reist zu der Installation „Étagère“. Das gilt für die meisten ihrer Arbeiten. In „Averse“, einem Video von 2007, lässt sie in einer grell erleuchteten Büroetage eine Neonröhre nach der anderen platzen und inszeniert so mit viel Humor das schleichende Ende einer ökologisch fragwürdig gewordenen Beleuchtungstechnik. Im Raum nebenan haben Bürostühle in endlosen Bewegungen um sich selbst große Kreiselspuren auf dem Boden hinterlassen, als Zeichen zielloser Verausgabung in der Bürokratie. Von der Wand flimmert dazu der Slogan „Mitarbeiter denken positiv“, unter dem sich ein paar Sporttaschen wie atmende Lungenflügel blähen, als groteske Mahnung, dass wir nicht vergessen sollten, uns fit zu halten, um den Stress bewältigen zu können, ohne den Produktivität nicht zu haben ist. Es liegt auf der Hand: In der Welt der Arbeit, wie Delphine Reist sie sieht, sind nicht wir es, die die Dinge im Griff haben, sondern umgekehrt. Nicht zufällig übernehmen sie bei ihr auch in künstlerischen Fragen immer wieder die Kontrolle. Ein schönes Beispiel dafür ist die Installation „Huiles“, für die Reist 15 undichte Fässer auf einem raumhohen Podest aneinanderreihte, befüllt mit unterschiedlichen Ölen, die einen Bezug zum Industriestandort Basel haben. Die Rinnsale, die aus ihnen sickern, werden während der Ausstellungsdauer schillernde Spuren auf der weißen Wand hinterlassen. Ein malerischer Abgesang auf das Petrozeitalter, mit stiller Ironie.