Kay Rosen: NOW AND THEN.
Weserburg – Museum für moderne Kunst,
Teerhof 20, Bremen.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 31. März 2024.
[— artline Nord] Die US-amerikanische Künstlerin Kay Rosen zeigt in der oberen Ausstellungsetage der Bremer Weserburg ihre Schriftbilder. Das ist gewissermaßen lustig: denn wenn man das Museum von der Stadt aus betritt, sieht man an dessen im Wasser stehenden Fundament in weißen Buchstaben Lawrence Weiners Satz „Having Been Built On Sand With Another Base (Basis) In Fact“. So ein Satz ist zwar nur Sprache, und doch weist er seit mehr als dreißig Jahren auf den unsicheren Grund hin, auf dem das Museum in vielerlei Hinsicht steht. Das heißt, dass Sprache hier tatsächlich physisch zu wirken scheint. Am Fundament selbst prangend, macht sie auf dessen Instabilität aufmerksam. Die Verwendung von Sprache als konzeptuellem Bild ist dem Publikum der Weserburg vertraut. Solche in die Tektonik eingreifende Wortbilder finden sich nun in der der Ausstellung von Kay Rosen, zum Beispiel „Lack“ von 1997. An einer tragenden Wand hat die Künstlerin zwei ähnlich geschriebene Worte platziert: unten „Floor“ und oben kopfüber „R oof“. Die Lücke muss in der Wandschrift sein, weil dem Roof das l fehlt, das der Floor ja noch hat. Durch den fehlenden Buchstaben aber entsteht das titelgebende Lack, das die obere Seite des zum Museum umgebauten Speichers unstabil werden lässt.
Kay Rosen studierte zunächst 1965 Spanisch und Linguistik, unterrichtete anschließend selbst Spanisch an der Indiana University in Gary. Dann erst besuchte sie das Arts Institute of Chicago. Als Künstlerin wurde die 1943 in Texas geboren Rosen erst in den frühen 90er Jahren bekannt. Der Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit war das Spiel mit Typografie und der Bedeutung von Schriftzeichen, Worten und Sätzen. Je besser man weiß, wie Schrift und Sprache funktionieren, wie Bedeutungen manifestiert werden, um so größer der Spielraum, diese durch einfachste Mittel zu erschüttern. So lässt sich Rosens Weg von der Sprachforscherin zur Sprachkünstlerin bezeichnen. In der Sprache manifestieren sich bekanntermaßen Machtverhältnisse, zuvorderst vielleicht geschlechterpolitische. Rosen zeigt in Bremen eine großformatige Schriftarbeit, in der sich zwei Wörter kreuzen: „Monuments“ von 2014. Stehend liest man „Obelisk“, liegend „Odaliske“. Der Schnittpunkt der beiden Wörter ist das gemeinsame s. Beide Figuren sind geschlechtlich klar konnotiert. Der Obelisk, als eine Art Siegespfahl, ist männlich, während die Odaliske ein weiblicher, liegender Akt ist. Das geschriebene Machtvokabular trifft hier auf das visuelle Machtvokabular. Kay Rosen hat nun mit einem kleinen Eingriff, einem flexiblen kleinen s, einen Fehler eingebaut, der das Verhältnis der liegenden zur stehenden Figur in Bewegung bringt.