Solar Breath. Wissen woher der Wind weht: Finger im Wind

Solar Breath
Olaf Breuning, Clouds, 2008/2023, Courtesy the artist and von Bartha, © Olaf Breuning
Review > München > ERES Stiftung
9. November 2023
Text: Roberta De Righi

Solar Breath. Wissen woher der Wind weht.
ERES Stiftung, Römerstr. 15, München.
Donnerstag 14.00 bis 18.00 Uhr, Samstag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 27. Januar 2024.
www.eres-stiftung.de

Solar Breath
Dennis Oppenheim, Whirlpool – Eye of the Storm, 1978, © Dennis Oppenheim Estate, Foto: ERES Stiftung
Solar Breath
Daniel Buren, Westwind, 2010, Detail, © DB-ADAGP Paris, Courtesy the artist & Buchmann Galerie, Paris, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Michael Schulze
Solar Breath
Katrín Agnes Klar, m/s, 2009, Courtesy the artist, Foto: ERES Stiftung

Leiko Ikemura versucht in ihrer Film-Installation „Wind Fuji“ das Flüchtige zu fangen: Ein weißer Vorhang dient als Projektionsfläche für kaum kenntliche Bewegtbilder. Es sind Aufnahmen emporziehender Wolken, die der Physiker Masanao Abe am heiligen Berg Fuji in den 1920er Jahren beobachtete. Auch Ikemuras „Wind Wesen“ sind zart und unverwechselbar. Ihre schematischen Gesichter zeigen menschliche Mimik und schweben körperlos über angedeuteten Berg- und Wasserlandschaften. Die leicht hingeworfen wirkenden Pastellzeichnungen tragen die Tradition japanischer Kunst in sich und sind von großer Ausdruckskraft.

Unter dem Titel „Solar Breath. Wissen, woher der Wind weht“ setzt sich die Münchner ERES Stiftung in der aktuellen Präsentation und begleitenden Vorträgen mit dem Phänomen des Windes auseinander. Jetstream, Passatwinde, El Niño – alles Ursachen sich verändernder Luftströme. Doch während einerseits das Ausmaß der Zerstörung durch Stürme weltweit weiter zunimmt, ist der Wind zugleich Energiequelle, deren Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Und es ist ein ergiebiges Thema, das 2022 auch eine Ausstellung im Kunsthaus Wien behandelte. Jetzt trug in München Kuratorin Sabine Adler Werke von 20 Künstlerinnen und Künstlern zusammen, die in der Zusammenschau stimmig und prägnant wirken. Der Titel bezieht sich auf das gleichnamige Video von Michael Snow, der den sich bauschenden Vorhang am Fenster seiner Hütte in Kanada filmte. Darin wird der Vorhang zum Medium: Immer abends in der Stunde vor Sonnenuntergang kommt Wind auf, „der Atem der Sonne“; nur manchmal wird er so stark, dass der Vorhang sich hebt und den Blick nach draußen freigibt.

Bedrohlich-künstliche Wolken schafft hingegen Hicham Berrada, und auch Katrin Agnes Klar lässt den Wind quasi zum Pinsel werden. Sara Bouchard wiederum verwandelt Wetterdaten mithilfe von Lochkarten in Spieluhrmelodien. Und lakonischen Bildwitz entwickeln die an Hebebühnen gesteckte blaue Scherenschnittwölkchen, die Olaf Breuning an der Brennerautobahn auffahren ließ. Daniel Buren, dessen Minimal-Postmoderne ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt, lässt in „Westwind“ (2010) fünf Fähnchen, weiß-blau und weiß-grün gestreift, vor Ventilatoren flattern. Eher viel Aufwand für wenig Aussage. Poetisch flirrende Ästhetik entwickelt aber Vadim Fishkins Installation „Windy“, die aus einem Ventilator und einer Projektion besteht: Vermeintlich aufgewirbelt durch den Luftzug flattert an der Wand Papier durch die Luft. Künstlerisch wie inhaltlich das Gegenteil ist Romuald Karmakars Biennale-Beitrag „Anticipation (Waiting for Sandy)” von 2013: Die Kamera filmt durch ein vergittertes Fenster auf sich immer stärker im Sturm biegende Bäume. Der Betrachter ist zugleich – für den Moment – geschützt und gefangen. Eine filmische Slapstick-Performance ist Marco Schulers Video-Challenge, im Windkanal dem enormen Gebläse standzuhalten und sich anzuziehen. Wo sonst Produktstabilität getestet wird, probt der Künstler seine eigene Standhaftigkeit und kämpft stellvertretend für sein Publikum dagegen, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Ausreichend Zeit sollte man sich noch für den einstündigen Film „The Weather War“ (2012) des dänischen Künstler-Duos Bigert & Bergström am Ende des Parcours aufheben. In einem Mix aus Doku, Roadmovie und Land-Art-Projekt reisen sie etwa in den Tornado-Gürtel der USA, um dort Wirbelsturm-Opfer und einen Tornado-Jäger zu interviewen und den nach der Idee des Ingenieurs Vladimir Pudov gebauten „Tornado Diverter“ in einem Vorgarten zu installieren. Das skulptural eindrucksvolle Trumm ist offenbar von begrenztem Nutzen. Und steht stellvertretend für das Prinzip Geoingeneering: Der konstruktive Ansatz, Verzweiflung in Innovation zu verwandeln, hilft partiell als Mittel gegen die Klimakrise. Doch während man Küstenbewohner von Hand einen Damm aufschichten sieht, mahnt aus dem Off eine Stimme: Wenn das Öko-System kollabiert und das menschliche System, dann gibt es keine Anpassung mehr“.