Fabian Knecht. Der Weg des größten Widerstandes.
Städtische Galerie Wolfsburg,
Schloßstr. 8, Wolfsburg.
Dienstag 13.00 bis 20.00, Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 17.00,
Samstag 13.00 bis 18.00, Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 14. Januar 2024.
[— artline Nord] In einer großen Einzelausstellung in der Städtischen Galerie Wolfsburg verwebt der Berliner Künstler Fabian Knecht jetzt Arbeiten aus den Medien Installation, Malerei, Fotografie, Video und Skulptur zu einem komplexen Narrativ über den Ukraine-Krieg. Dessen Brutalität präsentiert er anhand von authentischen Materialien und selbst gemachten Aufnahmen, die er aus dem Land mitgebracht hat.
Knecht ist dabei keineswegs ein künstlerischer Trittbrettfahrer des aktuellen Konfliktes. Seine engen Verbindungen in das Land haben sich schon viele Jahre vorher während unzähliger Aufenthalte etabliert. Seit dem russischen Überfall hat er etliche Hilfstransporte bis an die unmittelbare Frontlinie durchgeführt und ist dabei mit der blutigen Realität des Krieges konfrontiert worden. Seine Motivation, sich sowohl in Form humanitären Engagements als auch künstlerisch damit zu beschäftigen, beschreibt er so: „Neben dem sozialen Engagement ist die Kunst für mich die einzige sinnvolle Aktion, um mit den gemachten Erfahrungen umzugehen.“
Eine 600 x 280 cm große, auf Keilrahmen aufgezogene Leinwand aus seiner Werkgruppe „Schwarz gebadet, ohne Firnis“, wirkt zunächst wie ein durch Schütt- und Wischtechniken zustandegekommenes Gemälde. Knechts Vorgehensweise ist jedoch eine andere: Zunächst schüttet er Leinöl in die ausgebrannten Wracks von Panzern. In einem zweiten Schritt zieht er in einem kraftzehrenden Akt nicht grundierte Leinwände durch das Gemisch aus Ruß, Treibstoffresten und womöglich noch wesentlich unappetitlicheren Überbleibseln des Schlachtgeschehens. Haften bleiben periphere Materialien, Partikel und Pigmente, die Zeugnis von der Sinnlosigkeit des Sterbens ablegen. Aufgerufen wird hier die gesamte Tradition des Vanitasmotivs – vom Turiner Grabtuch über das Schweißtuch der heiligen Veronica bis hin zu den Installationen der mexikanischen Konzeptkünstlerin Teresa Margolles mit Blut und anderen menschlichen Körperflüssigkeiten. Dass diese Arbeiten aber auch an die bei Hippies und Friedensbewegten beliebte Batik-Technik erinnern, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Ebenfalls großen Raum nimmt eine Installation aus improvisierten Tarnnetzen ein, wie sie überall in der Ukraine von Freiwilligen geknüpft werden. Fabian Knecht bringt diese Tarnnetze von seinen Reisen in das Land mit. Er erhält sie im Tausch gegen professionelle Versionen, die er aus Deutschland in die Ukraine transportiert. Indem Fabian Knecht die von der Front mitgebrachten authentischen Materialien und Überreste in den Ausstellungsraum überführt, simuliert er nicht etwa das Kriegsgeschehen. Vielmehr schafft er – an der Grenze des Darstellbaren – ebenso ästhetisch überwältigende wie die Imagination der Betrachtenden herausfordernde Werke. So auch im Wolfsburger Schlosspark, wo die Ausstellung in Form der Bodenskulptur „Isjum Pool“ ihre Fortsetzung findet. Es handelt sich um die maßstabsgerechte Nachbildung eines 145 cm tiefen Bombenkraters, den Knecht auf einem Hügel bei Isjum gefunden hat und nun in die gepflegte Rasenfläche des Parks hineindupliziert hat. Dieser Hügel war während der russischen Besatzung der einzige Ort in Isjum, von dem aus die Bevölkerung telefonieren konnte. Genau deshalb wurde er im Mai 2022 von der russischen Armee beschossen. Fünf Menschen sind dabei gestorben.
Fabian Knecht wurde 1980 in Magdeburg geboren. Der Schüler von Ólafur Elíasson adressiert gesellschaftliche und kunstimmanente Fragestellungen und Grundkonflikte mittels der Konstruktion von Situationen, die die Grenzen zwischen Kunst und Alltag unscharf erscheinen lassen. So auch in dieser, große persönliche Teilnahme zeigenden Ausstellung zum Ukraine-Krieg, die durch ihre präzisen ästhetischen Setzungen besticht, ohne jedoch in Rührseligkeit abzurutschen.