Marcel van Eeden, 1898: Schatten der Erinnerung

Marcel van Eeden
Marcel van Eeden, Bernau im Schwarzwald, 2023, aus: 1898, 2023, Courtesy the artist, © Marcel van Eeden, 2023
Thema
11. Oktober 2023
Text: Redaktion

Marcel van Eeden: 1898, Hans-Thoma-Museum, Bernau.
Bis 15. Oktober 2023.
www.hans-thoma-museum.de

Marcel van Eeden
Marcel van Eeden, Insel Marken, aus: 1898, 2023, Courtesy the artist, © Marcel van Eeden, 2023
Marcel van Eeden
Marcel van Eeden, Bernau im Schwarzwald, 2023, aus: 1898, 2023, Courtesy the artist, © Marcel van Eeden, 2023

Inzwischen ist in Bernau wieder Ruhe eingekehrt. Die Schwarzwälder Trachten hängen bis zum nächsten Anlass im Schrank, die Blaskapellen üben für ihre kommenden Auftritte, und auch im Hans-Thoma-Kunstmuseum, wo Mitte August in volkstümlicher Festlichkeit die Ausstellung des niederländischen Künstlers und Rektors der Karlsruher Kunstakademie Marcel Eeden (*1965) eröffnete, hat sich die Aufregung gelegt. Auslöser dafür war Van Eedens Interesse an Hans Thoma (1839-1924), dem in Bernau geborenen Maler, der 1899 zum Professor an die Karlsruher Akademie berufen worden war und dort bis 1920 lehrte. Nach ihm wurde 1949 sowohl das örtliche Kunstmuseum benannt als auch der 1950 erstmals vergebene Hans-Thoma-Preis, der heute als wichtigste Auszeichung des Landes Baden-Württemberg für zeitgenössische Kunstschaffende gilt – auch Otto Dix und Anselm Kiefer erhielten ihn. Marcel van Eeden, der 2023 mit dem Preis ausgezeichnet wurde, ist bekannt für seine Zeichnungsserien von Fotografien, Filmstills, Werbeillustrationen und Postkarten, die aus der Zeit vor seiner Geburt stammen. Diese arrangiert er oft zu umfangreichen Plots im Stil des Film noir, welche um Fragen der Konstruktion von Geschichte kreisen. Auch die in Bernau gezeigten Gummidrucke seiner jüngsten Werkgruppe „1898“ widmen sich der kollektiven Erinnerung. Im besagten Jahr war Thoma nach Amsterdam gereist, um sich dort eine Rembrandt-Ausstellung anzusehen. Bei seinen Recherchen zu dieser Reise stieß van Eeden auf den Briefwechsel des badischen Malers mit einem Freund, dem völkischen Kulturtheoretiker, Rembrandtbiografen und Antisemiten Julius Langbehn. Auch ansons­ten stand Thoma deutschnationalen Kreisen im Kaiserreich sehr nah. Einer seiner Schüler, der später von den Nazis verfemte Karlsruher Maler und langjährige Rektor der Berliner Hochschule für bildende Künste Karl Hofer, schrieb Anfang der 1950er Jahre über Thoma: „Rückschauend sehen wir die Geistesverwandschaft mit dem Tausendjährigen Reich“. Das Zitat ist eines von vielen, die van Eeden den Bildern der Serie „1898“ zur Seite stellt und damit auf ein bemerkenswertes Versäumnis der kunsthistorischen Forschung hinweist, dem sich kürzlich eine vom Land in Auftrag gegebene Studie widmete. Dass diese Lücke nun von Wissenschaft und Kunst gleichermaßen in den Blick genommen wird, würdigte Kulturstaatssekretär Arne Braun anlässlich der Preisverleihung: „Ich sehe die Notwendigkeit einer breiten Debatte angesichts des Stellenwerts von Hans Thoma im kulturellen Gedächtnis der Region und der langen Tradition des Hans-Thoma-Preises“. Damit, so könnte man zwischen den Zeilen lesen, scheint zugleich die Diskussion eröffnet, ob der Preis auch in Zukunft den Namen Hans Thomas tragen soll.