Ulla von Brandenburg: It Has a Golden Sun and an Elderly Grey Moon.
Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstr. 27, Karlsruhe.
Mittwoch bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 22. Oktober 2023.
www.staedtische-galerie.de
Gegen Ende des Films „It has a Golden Sun and an Elderly Grey Moon“ verschwindet die Compagnie von Ulla von Brandenburg für einen Moment hinter den Stoffen, die sie hochhält. Und nur einen Augenblick sowie eine schnelle Handbewegung später sind die Stoffbahnen umgedreht und zeigen eine andere Farbe. Aus einem Moment, der an die Farbfeldmalerei erinnerte, wird eine performative Geste. In Ulla von Brandenburgs Film von 2016 waren die Stoffbahnen bis dahin Teil des Kostüms, bestehend aus pastellfarbenen Shirts und Hosen, oder sie waren Requisit, das von einem Performer zum anderen weitergegeben wurde.
Der Film hat ihrer Einzelausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe nicht nur den Titel gegeben, er steht auch in ihrem Zentrum. Und wer sich auf den Stufen des weißen Podests niederlässt, das auf mehreren bunten Stoffbahnen steht, schaut auf eine ganz ähnliche Architektur. Sie ist in „It Has a Golden Sun and an Elderly Grey Moon“ mehr als ein reines Bühnenbild. Die Compagnie bewegt sich zum Podest dieser Treppe hinauf, indem eine der Tänzerinnen nach und nach den gemeinsamen Körper der Equipe besteigt. Später wird eine andere Tänzerin kopfüber an der geraden Wand an den Fußgelenken heruntergelassen. Und während sie dann im Handstand die Beine spreizt, sie zur Seite nimmt, wird ein anderes Mitglied der Compagnie diese Bewegungen auf dem Absatz oben übernehmen und spiegeln. Von Brandenburgs Tänzerinnen und Tänzer sind keine Solisten, sondern eine Gemeinschaft unterschiedlichen Alters und manchmal tragen alle Frauenkleidung. Einige von ihnen erkennt man in den insgesamt neun Filmen der Ausstellung wieder.
Ulla von Brandenburg hat vielfache Beziehungen zu Karlsruhe. Hier wurde sie 1974 geboren, hier lehrt sie seit 2016 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste und hier hat sie in den 1990er Jahren an der HfG Szenografie und Medienkunst studiert. Bühnenbilder und das Theater sind ihr also vertraut. Historische Theater- oder Unterhaltungsformen wie die Tableau vivants aus dem 18. Jahrhundert oder auch der Zirkus haben ihre Spuren in von Brandenburgs Arbeiten hinterlassen wie auch die um 1910 neuartige Tanzästhetik eines Rudolf von Laban. Viele ihrer Choreografien und Performances wurden in Theatern aufgeführt und gefilmt: „It Has a Golden Sun and an Elderly Grey Moon“ im Théâtre des Amandiers in Nanterre, „Le milieu est bleu“ im „Théâtre du Peuple“ im Elsass – und „Feste Erde, Flüssiger Wind“ wirkt, als hätte es in einer antiken Ruine in Südeuropa stattgefunden. Anders als die Pioniere der Lebensreformbewegung, die für ihre Tanz-Performances die unverbrauchte Natur suchten – von Laban hielt Sommerkurse auf dem Monte Verità ab –, sind von Brandenburgs Aufführungsorte bereits Bühnen. Und mit den damit verbundenen Erwartungen spielt sie, so scheint in einer Videoarbeit von 2017 ein Stoff vom anderen abgezogen zu werden als ob ein Bühnenvorhang sich immer nur einem weiteren Vorhang und nie dem eigentlichen Geschehen öffnete.
Während diese Stoffe aus ihrer privaten Sammlung stammen, hat von Brandenburg für den kurzen Film „Quilts“ historische Steppdecken aus dem Memphis Heritage Museum aufgenommen. Die wiederkehrenden Stoffe in den Arbeiten der Künstlerin sind einerseits ein malerisches Moment in einem Werk, das die Grenze zwischen Skulptur und Performance aufhebt. Meist haben sie jedoch mit den Körpern der Performerinnen und Performer zu tun und oft werden mittels Schnürrungen Falten ganz ähnlich wie bei Vorhängen erzielt. Die Kostüme stellen von Brandenburgs Performerinnen und Performer heraus und machen sie zu den Protagonisten ihrer Geschichten, wobei diese nur vage narrative Strukturen haben. Von Brandenburg zitiert in „Blaue und Gelbe Schatten“ Goethes Farbenlehre und in „Le milieu est bleu“ Texte von Marieluise Fleißer. Doch mehr als ein Erzählstrang steht die Gruppe im Zentrum, als Gemeinschaft und lebendiger Farbträger.