Tenki Hiramatsu: Unendliche Zigarettenpause.
Kunstpreis der Werner-Stober-Stiftung 2022.Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstr. 27, Karlsruhe.
Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
29. Juli bis 22. Oktober 2023.
www.staedtische-galerie.de
www.tenkihiramatsu.com
„I had a lot of visions“ heißt eine Arbeit von Tenki Hiramatsu. Man glaubt es sofort, wohl wissend, dass der in Karlsruhe lebende japanische Künstler den Titel als Steilvorlage nimmt, den Ball ins Feld des Betrachters zurückzuspielen. Denn während er selbst sich geradezu planlos ans Malen mache – behauptet er zumindest – sind wir es, die auf seinen Bildern das erkennen, was wir erkennen wollen. Denn so Hiramatsu, die Ähnlichkeit mit der Wahrheit kann manchmal mächtiger sein als die Wahrheit selbst.
Wenn am 28. Juli nun in der Städtischen Galerie Karlsruhe seine Ausstellung mit dem beziehungsreichen Titel „Unendliche Zigarettenpause“ eröffnet wird, ist dies nicht alleine eine Würdigung des Kunstpreisträgers der Werner-Stober-Stiftung 2022, es ist auch die Wiedereröffnung der Städtischen Galerie nach der Sanierung, die gleich mit drei Ausstellungen begangen wird. Tenki Hiramatsu hat in Karlsruhe bei Marcel van Eeden und Daniel Roth zwischen 2016 und 2019 studiert. Als er nach Karlsruhe kam, hatte er bereits in Tokio die Akademie besucht und einen BA gemacht. Sprache ist für den 1986 in Wakayama geborenen Hiramatsu wichtig. Seine Arbeiten, die meist mit Öl- und Acrylfarben auf Papier entstehen, das im Anschluss oft auf Holz aufgezogen wird, heißen manchmal nach Liedzeilen. Meist sind es aber absurde Alltagsweisheiten, die nicht immer auf eigenen Erfahrungen beruhen müssen. Im Jahr 2018 entsteht so eine ganze Serie von Papierarbeiten, auf denen in verschiedenen Varianten das Wort Gebühr vorkommt. Einmal steht „Gebühr 1500“ unter einem etwas missmutigen Zirkuszelt, ein anderes Mal liest eine Figur in einem Buch, auf dessen Einband dieser Titel geschrieben ist. Bestimmt ein Gebührenkatalog. Man würde sich wirklich gerne Geschichten dazu erzählen, soll man ja aber nicht. Oder zu Arbeiten, die „Avante Gardening“ heißen und vier bunte Becher zeigen, in denen ziemlich kahle Zweige stecken. Oder zu Ausstellungen mit Titeln wie „Lügen haben Beine“, so war seine Werkpräsentation in der Berliner Galerie Robert Grunenberg vor drei Jahren benannt. Die Versuchung, die Bilder als Narrationen zu nehmen, ist umso größer als die Figuren, die man auf ihnen erkennen kann, etwas von einem Comic an sich haben. Es liegt vor allem an den Augen, aber auch daran, dass Tenki Hiramatsu, obgleich seine Bilder über die Jahre immer malerisch wurden, sich viel von der Zeichnung bewahrt hat. Zumal es Figuren gibt, die immer wieder auf seinen Bildern erscheinen. Etwa eine Schlange, die oft frontal dargestellt ist, so dass man in ihr Maul schaut. Oder Ameisen und Gottesanbeterinnen etwa. Man muss sie nur lange genug betrachten, schon glaubt man, dass, wo eine Gottesanbeterin ist, auch ein Gott sein muss.
Vielleicht liegt es daran, dass Hiramatsu seine Bilder auf kleinem Format organisiert, dass man sie für farbiger hält als sie es sind. Wobei die neueren Arbeiten natürlich sehr farbig sind, doch oft dominieren Brau- oder auch Grautöne, die sich aus anderen Farbschichten zusammensetzen. Und Grün ist bei Hiramatsu oft ein Signal dafür, dass es merkwürdig wird. Doch diese kleinen gut oder schlecht gelaunten Gespenster und Monster, die man glaubt, auf Tenki Hiramatsus Bildern ausmachen zu können, sind für sich keine Wirklichkeit, sie verweisen auf etwas anderes, das uns auf dem Bild harmloser erscheint und leichter zu akzeptieren ist als das, wofür es womöglich stehen könnte. Doch bis dahin gilt: „When there is smoke, there is no fire“.