Tierisch gut – Paradise reloaded: wieviel Wildnis darf sein?

Tierisch gut Wim Botha
Wim Botha, Solipsis VI, 2013/2014, Installationsansicht Museum Art.Plus, Donaueschingen, Courtesy the artist, © Wim Botha
Review > Donaueschingen > Museum Art.Plus
20. Juli 2023
Text: Annette Hoffmann

Tierisch gut – Paradise reloaded.
Museum Art Plus, Museumsweg 1, Donaueschingen.
Freitag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 12. November 2023.
www.museum-art-plus.de

Es fällt schwer, hier nicht auf das Tier zu kommen. Vor dem Donaueschinger Museum Art.Plus fließt die Brigach. Nilgänse haben sich am Ufer neben Stockenten niedergelassen, Blauflügelige Prachtlibellen schwirren über dem Wasserlauf. Die Natur ist in der unmittelbaren Umgebung des Museums gezügelt, der Schlosspark wurde Anfang des 19. Jahrhunderts angelegt. Was jeweils als paradiesisch angesehen wird, verändert sich im Lauf der Zeit. Friedvolles Zusammensein von Fressfeinden gehörte immer dazu – unter der Hegemonie des Menschen, versteht sich. „Tierisch gut – Paradise reloaded“, so der Titel der aktuellen Schau des Museums, könnte also durchaus trennschärfer gefasst sein, zumal es bis auf Zitate der Künstlerinnen und Künstler keine weitergehenden Texte oder Einordnungen gibt.

Die beiden Wolfsdarstellungen von Davide Rivalta (*1974) wirken wie ein skulpturaler und malerischer Kommentar zu den Debatten um die Wiederansiedlung des Tieres in Deutschland, insbesondere im Schwarzwald. Wie weit ist der Mensch überhaupt bereit, eine Natur zu akzeptieren, die ihm nicht völlig untertan ist und wie sehr darf sie Wildnis sein? Der Wolf, so wie ihn Rivalta porträtiert, mag existenziell von diesen Fragen bedroht sein, doch der italienische Künstler zeigt das Individuelle des Tieres. Er hat es ebenso in Gefangenschaft beobachtet wie Helmut Middendorf (*1953) in den späten 1970er Jahren ein Nashorn im Berliner Zoo. Im Hintergrund sieht man mehrere Hochhäuser in den Himmel ragen. Es ist eine zweifelhafte Umgebung für das massige Tier, das hier auch zum Stellvertreter des Menschen wird, der selbst in eine unwirtliche Gegend geraten ist. Middendorf wird an Albrecht Dürers berühmtes Nashorn gedacht haben, Roland Schauls (*1954) hat es gewiss getan. Denn neben dem Körper sind auf dem Bild die ersten drei Buchstaben des Schriftzuges Rhinocerus in Gold zu sehen. Und auch diese Geschichte will nicht etwa paradiesisch klingen. Das Tier, das im 16. Jahrhundert aus Indien nach Europa verfrachtet wurde, gelangte erst nach Lissabon, dann sollte es dem Papst geschenkt werden. Es verendete jedoch bei einem Schiffbruch. Dürers Holzschnitt dürfte viele seiner Zeitgenossen an antike Naturbeschreibungen erinnert haben und ihnen zugleich eine Ahnung von exotischen Reichtümern gegeben haben, die vermeintlich auf die Europäer warteten. Gabriele Oberkofler (*1975) vermittelt ein anderes Naturverständnis. In „Mooszooms“ wird die Natur zur Kollaborateurin einer Mooskultur, die in einem mit einem Korken verschlossenen Glas Platz gefunden hat. Während „Solanum“ aus unzähligen geschnitzten Holzobjekten besteht, darunter Schnecken, Fruchtständen von Bäumen, Weintrauben oder Eidechsen, Füße und Ohren. Ein Wimmelbild, das Naturformen nachbildet.