Time, please: nicht immer linear

Time please
Michael Ray-Von, Untitled, 2023, Installationsansicht "Time, please", Kunst Raum Riehen, 2023, courtesy the artist, Foto: Gina Folly
Review > Basel > Kunst Raum Riehen
30. Juni 2023
Text: Annette Hoffmann

Time, please.
Kunst Raum Riehen, Baselstr. 71, Basel-Riehen.
Mittwoch bis Freitag 13.00 bis 18.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 9. Juli 2023.
www.kunstraumriehen.ch

Man muss sich diesen namenlosen Hausmeister wohl ein bisschen wie einen kafkaesken Wächter vorstellen. Was auch passiert, der Wald bleibt draußen. Dabei ist zwischen 1983, als die Siedlung im Norden Kanadas verlassen wurde, und 2018, als Steve Bishop (*1983) seinen Film „The Caretaker“ aufnahm, viel passiert. Unberührt von der Weltgeschichte mähte der Hausmeister den Rasen, machte das Licht an und aus und kümmerte sich um die Heizung. Wir folgen Bishops langer Kamerafahrt entlang von Häusern, die alle ähnlich gebaut sind. Moos hat die Treppen und Dächer erobert. Das Post Office ein Stillleben, ebenso das Town and Country Restaurant und überall die gleichen Synthetikvorhänge in Beige. Den Ort, von einer Minengesellschaft für ihre Arbeiter gebaut, hat man, als der Abbau sich nicht mehr lohnte, nicht einfach aufgegeben, sondern in seiner Agonie konserviert. Die Zeit ist eingefroren, so als könnte man den Glauben an den Fortschritt und die Hybris, über alles zu verfügen, nicht einfach loslassen.

„Time, please“ heißt die Gruppenschau in Riehen, der man selbst einiges an Zeit widmen sollte. Zu jeder Stunde beginnt das Filmprogramm, für das Karin Borer und Daniel Kurth als Kuratoren eigens einen durchdringenden Wecker installiert haben. Es sind jedoch nicht nur zeitbasierte Medien wie Videos, die das Thema widerspiegeln. Lucia Elena Průša (*1985) hat Armbänder von Uhren auseinander genommen und verlängert, manche Zifferblätter bemalt und zu Wandobjekten gemacht. Diese Uhren sind nicht nur durch ihre Demontage ihrem eigentlichen Zweck entzogen, sondern auch ein wenig aus der Zeit gefallen seit sie von Handys verdrängt wurden. Während Michael Ray-Von (*1988) aufgespießte Äpfel in einer niedrigen Bühnenarchitektur mitsamt Licht- und Soundeffekten dem Verfall preisgibt, interpretiert Jiajia Zhang (*1981) das Flanieren neu und überlässt sich der Strecke einer Buslinie in Mailand. Derweil die Zeit voranschreitet, wechselt der Bus mehrfach die Fahrtrichtung und hebelt für den Betrachter so die Linearität aus. Unterlegt sind die Bilder von Werbevideos auf Schaufenstern und vom Straßenverkehr mit Reflexionen über die Entwicklung von Kindern. Bevor sie anfangen zu sprechen, können sie eine größere Menge an Lauten produzieren als Erwachsene es je vermögen. Was wäre, wenn Prozesse nicht folgerichtig verlaufen, sondern einen Pool an Möglichkeiten bereithielten. Dann wäre Zeit eine Erfahrung von Gleichzeitigkeit wie sie sich in einer Sequenz von Hannah Weinbergers (*1988) Film „Awake, while you’re dreaming“ widerspiegelt. Diese zeigt ein völlig überdrehtes mechanisches Uhrwerk in einem Vergnügungspark, in dem Holzfiguren wie Cowboys und Narren sich drehen und zugleich die Zeit durch Ziffern angezeigt wird. Standen Uhrmacher nicht mal in der Nachfolge von Gott?