Marco Schuler, Go! Go! Go!.
Kunsthalle Darmstadt, Steubenplatz 1, Darmstadt.
Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 23. Juli 2023.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, mit Texten von Katharina Cichosch und Wolfgang Ullrich, Darmstadt 2023, 100 S.
In der Elektronik beschreibt die Reihenschaltung eine Anordnung von mehreren hintereinander geschalteten Elementen, so dass diese einen einzigen Strompfad bilden. Einfach Stecker rein, anknipsen und – Brzzz! Es ist nicht abwegig, auch die Ausstellung von Marco Schuler (*1972) in der Kunsthalle Darmstadt in Begriffen von Ladung, Spannung, Stromstärke und Energieflüssen zu beschreiben. Dicht an dicht hängen seine Bilder an der Schauwand im Entree, nur durch eine Glasfront vom Außenraum getrennt, wo zur Begrüßung zwei scharfkantige Oversize-Metallzwerge der Skulpturenserie „Radix“ in die Stadt lachen und schon mal das Thema setzen: Aggressive Niedlichkeit, um das Böse zu bannen. Zwei Wandöffnungen geben dahinter den Blick frei in den Oberlichtsaal, und auch hier folgt die Ordnung der Bilder einem eng getakteten Rhythmus, der nichts von der geschmäcklerischen Prätention einer Petersburger Hängung hat, sondern vor allem auf eines zielt: Bewegung. Die Bilder sollen sich gegenseitig anspornen, Energie weitergeben, den Raum unter Strom setzen.
Nicht zufällig hat Schuler seiner Schau den Titel „Go! Go! Go!“ gegeben. Es ist die bislang umfangreichste Präsentation der Malerei des Künstlers, der eigentlich Bildhauerei studiert hat, aber nie Skrupel hatte, das Medium zu wechseln, weil Skulptur nicht zwingend ein statisches Objekt ist, sondern zuerst Effekt einer Handlung. Oder einer Performance: „Tok! Tok! Tok!“ schallt es aus dem Nebenraum, in dem fünf tablet-große Monitore an der Wand hängen. Auf einem sieht man den Künstler im orangefarbene Overall in einer alten Burgruine von Wand zu Wand laufen. Auf dem Kopf trägt er einen Blecheimer, mit dem er bei jeder Kehre – Tok! – gegen die Mauer kracht. Es ist eines seiner frühen Videos aus den 2000er Jahren, die Schuler im Künstlergespräch mit Wolfgang Ullrich Anfang Mai als „Armaturenbrett meiner Arbeit“ beschrieb. Sie geben das Tempo vor und den Witz, die Intensität, den Grad der Verausgabung und der Reduktion. Und mit dem Orange des Overalls sogar die Farbe, mit der Schuler die Leinwände grundiert und so jedes Bild als Signal beginnt.
In Darmstadt sind neben einigen Videos und einer Reihe von Aluskulpturen mehr als 100 Bilder zu sehen, rund ein Drittel stammen von 2022 und 2023. Bevölkert werden sie von einer Unmenge an Fantasiewesen, von Kopffüßlern und Pilzfamilien, Quallengesichtern, Korallenbäumen, Kinderastronauten oder Totentänzern, die gut gelaunt und oft mit leiser Melancholie in grellen Landschaften posieren oder in bedrohlich verkanteten Räumen, gerne lachend oder auf dem Kopf stehend, wie übermütige Bezwinger heimlicher Ängste und hartnäckiger Dämonen.