Lu Yang: Vibratory Field. Reinkarnation im Datenkosmos

Lu Yang
LuYang, LuYang Vibratory Field, Kunsthalle Basel, 2023, Ausstellungsansicht, Foto: Philipp Hänger, Kunsthalle Basel
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22. März 2023
Text: Dietrich Roeschmann

Lu Yang: Vibratory Field.
Kunsthalle Basel, Steinenberg 7, Basel.
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 11.00 bis 20.30 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 21. Mai 2023.
www.kunsthallebasel.ch

Lu Yang
LuYang, LuYang Vibratory Field, Kunsthalle Basel, 2023, Ausstellungsansicht, Foto: Philipp Hänger, Kunsthalle Basel
Lu Yang
LuYang, LuYang Vibratory Field, Kunsthalle Basel, 2023, Ausstellungsansicht,, Foto: Philipp Hänger, Kunsthalle Basel
Lu Yang
LuYang, LuYang the Destroyer – Game, 2021, Installationsansicht, Foto: Philipp Hänger, Kunsthalle Basel

Es ist schon eine Weile her, als die Welt noch klar aufgeteilt schien in Ost und West, männlich und weiblich, analog und digital. Längst sickern die Konzepte ineinander und die Grenzen verflüssigen sich, auch gegen die Beharrungskräfte des Blockdenkens. Ein guter Moment, um zu fragen, was es eigentlich bedeutet, Mensch zu sein in der Fluidität und Digitalität der Gegenwart. Der in Tokio lebende chinesische Künstler LuYang interessiert sich schon länger für diese Frage. Auch seine aktuelle Soloschau in der Kunsthalle Basel kreist um das Thema. Sie startet in einem tempelartigen Setting. Kerzen am Boden säumen den Weg, von der Decke hängen Transparente mit chinesischen Schriftzeichen, an den Wänden flackern wie Altarbilder vier Flachbildschirme, davor jeweils eine Kirchenbank zum Sitzen, manchmal auch nur eine Betbank. Was dort zu sehen ist, zwingt tatsächlich in die Knie. Nicht unbedingt vor Demut – eher weil die schiere Materialität der Körper, die LuYang in seinen Videos beschwört, auf eine erschütternde Weise überwältigt. Animierte Nackte ohne Geschlecht regnen hier aus schwarzen Himmeln in von Krieg und Katastrophen verwüstete Landschaften, werden von toten Bäumen aufgespießt oder kriechen panisch über verbrannte Erde, auf der Flucht vor einen namenlosen Unheil, das kaum größeres Leid verursachen könnte, als LuYangs Avatare ohnehin schon ertragen. Auf dem Videoscreen gegenüber trieft dem Künstler in Großaufnahme Schaum aus dem verzerrten Mund. Die zuckenden Krämpfe werden von elektromagnetischen Impulsen einer Magnetspule ausgelöst, die ein Neurowissenschaftler über seine Stirn bewegt. In einem weiteren Video taucht das Instrument, das in der Praxis zur Behandlung von Depressionen, Parkison oder Epilepsie eingesetzt wird, dutzendfach am Rock des tanzenden Yamantaka auf, einer zornigen tibetischen Meditationsgottheit.

Es ist ein schrilles Universum zwischen Neurowissenschaft, buddhistischer Kosmologie und Game Design, das LuYang in der Kunsthalle Basel eingerichtet hat, unterfüttert von einem pulsierendem Soundtrack aus Techno und Tempelmusik, K-Pop und Death Metal. Hinter der Dämmerung des Altarraums warten das gleissende Licht eines Sci-Fi-Forschungszentrums, wo eine Präsentation zur Materialisierung des Humanen durch Klone, Cyborgs und KI-gesteuerte Roboter läuft. Eine wandfüllende Videoinstallation nebenan fragt in grellen Bild- und Farbgewittern nach dem Ort des Bewusstseins und schlägt vor, neue Potenziale der Wahrnehmung im Wahn zu erschließen, provoziert durch die technische Stimulation des Hirnmaterials. Schließlich können die Besucher:innen auch selbst zur Konsole greifen und in Videospielen wie „The Great Adventure of Material World“ in einen der sechs Charaktere schlüpfen, in die sich LuYang vervielfältigt hat. Dass er diese Avatare als Reinkarnationen seiner Person begreift – in den Zuständen Tier, Himmel, Hölle, Mensch, Hungriger Geist und Psychedelische Fiktion –, ist nur konsequent: Im digitalen Raum, in dem Körper nicht aus Zellen, sondern aus Daten bestehen, gibt es keinen endgültigen Tod, Alter und Geschlecht spielen keine Rolle mehr. Längst hat auch die reale Person LuYang alle eindeutigen Informationen aus ihrer öffentlichen Vita getilgt, die der Fluidität entgegenstehen könnte.

Am Ende dieser aberwitzig überladenen Inszenierung des Menschseins im Datenkosmos verabschiedet sich LuYang per Flugzeug mit großer Geste aus der materiellen Welt. Flankiert von großformatigen Plakaten in Leuchtkästen, auf denen seine Reinkarnationen wie Blockbuster-Stars posieren, sehen wir seinem Avatar DOKU in einem mit Economy-Class-Sitzen bestuhlten Kino beim apokalyptischen Tanz in zerbombten Städten und brennenden Wüsten zu. Die roboterartigen Bewegungen seiner Figur schaute sich LuYang bei rituellen indischen und balinesischen Tänzen ab, in denen die Tanzenden Bilder vom Leben als Loop entwerfen. Den Kurznamen des Avatars entlieh er hingegen einer buddhis­tischen Sutra. „Dokusho Dokushi“ bedeutet in etwa „Alleine sterben, alleine geboren werden“. Man könnte es als eine Art Credo des digitalen Existenzialismus verstehen: Das Spiel ist nie zu Ende.