Alex Silber: Der Speer in Augenhöhe

Alex Silber, Ein Bildjäger, 1980, Schwarzweiss-Fotografie, Courtesy Kunstverein Basel
Review > Liestal > Palazzo Liestal
20. März 2023
Text: Iris Kretzschmar

Alex Silber: In die Zeit gefallen.
Kunsthalle Palazzo, Bahnhofplatz, Liestal.
Mittwoch bis Freitag 14.00 bis 18.0 Uhr, Samstag bis Sonntag 13.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 2. April 2023.
www.palazzo.ch

Alex Silber im Kupferstichkabinett.
Kunstmuseum Basel / Hauptbau, St. Alban-Graben 16, Basel.
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 25. Mai 2023.
www.kunstmuseumbasel.ch

 

Alex Silber, Dschungelrodung – Schall und Rauch, 1971 Collage, fotokopiertes Holzschnittfragment (Albrecht Dürer-Schule) auf teilbelichteter Xerographie, Foto: Daniel Spehr
Alex Silber, (Spiegelbild), 1975, Filzstift auf vorgedrucktem Papier (the contemporary pencil), Foto: Daniel Spehr

Zwei Ausstellungen, in Liestal und in Basel, zeigen Werke des Basler Künstlers Alex Silber. Als Werner Alex Meyer 1950 in Basel geboren macht er zunächst eine Ausbildung zum Schriftsetzer und besucht den Vorkurs der Schule für Gestaltung. Ab 1972 tritt er als Kunstfigur Alex Silber in Erscheinung, gehört zu den Basler Pionieren, die multimedial und performativ arbeiten, ist Mitbegründer der Aktionsgesellschaft Protoplast und ruft die Initiative Imagologisches Institut ins Leben. Silbers Bildwelt ist vielgestaltig. Wichtig ist das Reflektieren von Wirklichkeitsebenen eigener und fremder Bilder. Sein Werk ist gleichzeitig Archiv und Arbeitsinstrument, besteht aus eigenen und gefundenen Texten, Fotos, Zeichnungen, Installationen und Performances. Dabei bedient er sich unterschiedlicher Epochen, überarbeitet fremde Bilder, um sie in den eigenen Werkkosmos einzuspeisen. So zeigt „Dschungelrodung – Schall und Rauch“ von 1971 eine Collage auf einem fotokopierten Holzschnittfragment von Albrecht Dürer.

Die Ausstellung in Liestal, die von Michael Babics, Olivia Jenni und Johannes Nilo kuratiert wurde, spiegelt diese zeitübergreifende Arbeitsform und führt Werke aus fünf Dekaden dialogisch zusammen. Johannes Nilo, der sich seit 2019 zusammen mit Silber der Inventarisierung und Archivierung des Oeuvres widmet, schlägt etwas vor, auf das Silber mit einer Auswahl an Arbeiten antwortet.

Dass Sehen mit Selbstreflexion einhergeht, de­mons­triert nicht nur der erste Raum. „Corona Christ“ von 2020 besteht aus einer kindlichen Bodenzeichnung mit weisser Kreide, aufgenommen mit einem alten Ericsson Handy. Das Foto präsentiert nicht nur die Füsse des Fotografen als Verlängerung einer anthropomorphisierten Virusgestalt, sondern auch Datum und Uhrzeit aus den ersten Tagen der Pandemie. Übergänge, die verschiedene Zeitlichkeiten zusammenführen, werden sichtbar. Gegenübergestellt ist „Bildjäger“, eine fotografische Selbstbefragung von 1980. Der Künstler stellt sich als Krieger dar, mit Lendenschurz und einem Speer in der Hand, der präzis auf Augenhöhe geführt, zum Sehstrahl mutiert. In einem anderen Raum thematisiert „Augen bohren Löcher“, aus dem Jahr 1974, die Gewalt des Sehens und den Zwang zur Selbstwahrnehmung mit einer Überblendung geöffneter und geschlossener Augen.

In der konstanten Analyse eigener und fremder Bildwelten und sich ständig erweiternden Themenkreisen ist Silbers Œuvre zu einem verzweigten Geflecht gewachsen, das nicht nur das Bild als solches hinterfragt, sondern auch den Anspruch auf Dauerhaftigkeit einer Aussage unterläuft.