Richard Frater, Off Season: Aus dem Flugtunnel

Richard Frater
Richard Frater, Off season, Installationsansichten Kunstverein München, 2023, Courtesy the artist, Foto: Max Geuter
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3. März 2023
Text: Jürgen Moises

Richard Frater: Off season.
Kunstverein München, Galeriestr. 3, München.
Dienstag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 23. April 2023.
www.kunstverein-muenchen.de

Richard Frater
Richard Frater, Off season, Installationsansichten Kunstverein München, 2023, Courtesy the artist, Foto: Max Geuter

Gibt es hier Bauarbeiten? Wird hier etwas repariert oder werden die Fenster geputzt? Diese Fragen könnten einem in den Sinn kommen, wenn man derzeit den ersten Stock des Kunstvereins München betritt. Dort sieht man sich beim Hinaufschreiten der Treppe nämlich mit einem metallischen Baugerüst konfrontiert. Und passen würde es ja. Denn der im schönen Münchner Hofgarten befindliche Verein feiert in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag. Da wäre es doch naheliegend, dass man seine Räume herausputzt. Entsprechende Hinweise darauf oder ein Warnschild gibt es aber nicht. Wer also nun das sich über zwei Räume erstreckende Gerüst durchschreitet oder es gar über die etwas wacklig wirkende Metalltreppe betritt, tut das auf eigene Gefahr. Der Lohn? Oben auf dem Gerüst kann man rechts und links aus den Fenstern schauen. Weil diese so hoch sind, ist das normalerweise nicht möglich.

Zu verdanken ist dieser ungewohnte Blick Richard Frater. Dem aus Neuseeland stammenden, aktuell in Berlin lebenden Künstler ist mit „Off season“ die erste Ausstellung im Jubiläumsjahr gewidmet. Er hat das Gerüst aufstellen lassen, damit man nun von oben im Süden den renaissancezeitlichen Hofgarten und auf der Nordseite den im 18. Jahrhundert angelegten Finanzgarten blicken kann. Der war kurz als möglicher Standort für das in München geplante neue Konzerthaus im Gespräch und ist als Park ansonsten fast nur Insidern bekannt. Was aber gut ist für die Vögel und die anderen Tiere dort. Womit wir beim für Richard Frater zentralen Thema wären. Denn der 1984 in Wellington geborene, in Auckland und Glasgow ausgebildete Künstler ist leidenschaftlicher Ornithologe. Wie können Mensch und Tier, Mensch und Natur gemeinsam in städtischen Räumen leben? Das ist eine Frage, die Frater in seinen Arbeiten immer wieder stellt.

Dass speziell die Konfrontation von Mensch- und Vogelwelt oft leider tödlich endet, das ist auf fünf kleinformatigen Fotografien Thema. Zu sehen sind darauf Ausschnitte von Fensterscheiben, mit denen Vögel kollidiert sind und auf denen man Spuren des Zusammenpralls sieht. Vor allem bei Glasfassaden von städtischen Hochhäusern passieren solche Unfälle immer wieder. Bei den großen Fenstern des Kunstvereins kam das zum Glück noch nicht vor. Trotzdem hat Frater im großen Ausstellungssaal die Kopie eines realen Flugtunnels installieren lassen, der von einem der Fenster zum anderen direkt gegenüber reicht. Diesen können Vögel nun als Passage oder Zuflucht nutzen. Und angeblich haben das schon ein paar Vögel getan. Vom echten Flugtunnel hängen zudem als Ready-Mades verschiedene Einzelteile an den Wänden. Im Raum nebenan laufen weiterhin zwei Live-Videos. Das eine zeigt den Hofgarten, das andere den Finanzgarten. Aus der Perspektive von zwei Kameras, die auf dem für Besucher nicht zugänglichen Dachboden installiert sind. Auch hier geht es also um den Perspektivwechsel. Um das Aufzeigen von neuen Sichtweisen.

Wofür steht der Kunstverein? Was ist sein Nutzen, wenn er doch eigentlich nur den Blick von Garten zu Garten verstellt? Solch „ketzerische“ Fragen ließen sich ableiten, und das passt natürlich gut ins Jubiläumsjahr. Mit ihren ökologischen Fragen ist die Ausstellung zudem nah am Puls der Zeit. Wie alles zusammenhängt, das wird wie immer im ausführlichen Begleitheft erklärt. Ohne das fühlt man sich zum Teil etwas verloren. Und das wäre ein Ratschlag für die Zukunft: Dass man die Inhalte direkt im Raum besser vermittelt. Dafür findet sich im seit 2020 durchgehend geöffneten Archivraum eine schöne Ergänzung. Dort sind nämlich ein Video zum Thema „Ko-Habitation und Stadtnatur“ und die Dokumentation einer Ausstellung von Jef Geys aus dem Jahr 2001 zu sehen. Und man erkennt: Der Belgier hat schon damals ein Baugerüst unter die Fenster gestellt. Historisches Material wie dieses wird von Mai an auch in der Jubiläumsausstellung gezeigt. Es gibt Vorträge, ein Straßenfest und natürlich eine Festpublikation. Bleibt noch zu sagen: Happy Birthday, Kunstverein!