Historisches Erbe: Provenienzforschung

Gurlitt Bilanz
Wassily Kandinsky, Schweres Schweben, 1924, Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt
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19. November 2022
Text: Redaktion

Gurlitt. Eine Bilanz.
Kunstmuseum Bern, Hodlerstr. 12, Bern.
Dienstag 10.00 bis 21.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 15. Januar 2023.
www.kunstmuseumbern.ch

Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe entarteter Kunst.
St. Alban-Graben 16, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 19. Februar 2023.
www.kunstmuseumbasel.ch

Gurlitt Bilanz
Max Beckmann, Zandvoordt Strandcafé, 1934, Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt
Gurlitt Bilanz
Chargesheimer, Hildebrand Gurlitt, ohne Datum (um 1955), © Koblenz, Bundesarchiv, Nachlass Cornelius Gurlitt

Der Titel der Ausstellung im Kunstmuseum Bern „Gurlitt. Eine Bilanz“ klingt nach Schlussstrich. Doch genau dieser wird nicht gezogen, denn noch immer gibt es Werke aus der Sammlung Cornelius Gurlitt (1932-2014), deren Provenienz nicht lückenlos recherchiert werden konnte. Als das Kunstmuseum Bern im November 2014 das Erbe annimmt, ahnten wohl nur die wenigsten, mit wieviel Arbeit das Legat verbunden sein würde. Seit 2017 hat das Museum eine eigene Abteilung für Provenienzforschung und bemüht sich um Transparenz. Nicht ganz einfach in Fällen, in denen während des Nationalsozialismus und in der unmittelbaren Nachkriegszeit die eigentlichen Besitzerverhältnisse vorsätzlich verschleiert wurden – oft, wie die Ausstellung zeigt, auf behördliche Anordnung und mit erheblicher krimineller Energie. In mehreren Fällen konnten die ursprünglichen Besitzer ausgemacht werden, die Werke wurden restituiert oder andere Lösungen gefunden. Für die Recherche gibt es eine Onlinedatenbank zum Nachlass Gurlitt.

Der Kunsthandel ist Teil des nationalsozialistischen Systems. Und Hildebrand Gurlitt, Vater von Cornelius Gurlitt, ist einer der Akteure. Zwar erwarb er auch rechtmäßig Kunst, doch er kaufte aus Vermögenseinziehungen oder von Verfolgten sowie aus der Beschlagnahmemasse „Entartete Kunst“ des Propagandaministeriums. Und er nutzte für seine Geschäfte sein Insiderwissen. Ab 1941 wird er Einkäufer auf dem französischen Kunstmarkt für deutsche Sammler und Museen. Trotz allem wird er später als „Mitläufer“ eingestuft werden.

Die Annahme des Legats Gurlitt durch das Kunstmuseum Bern ist nicht nur für dieses, sondern für die Schweizer Museen überhaupt eine Art Crashkurs in Sachen Provenienz geworden. Nicht grundlos zeigt das Rietberg Museum, wie Objekte ins Museum kommen und das Kunstmuseum Basel hat mit der Ausstellung „Zerrissene Moderne“ auch die eigene Sammlungsgeschichte aufgearbeitet. 21 Werke aus deutschen Museen wurden 1939 mittels eines Sonderkredits der Basler Regierung für die Sammlung aufgekauft. Einige gelangten über die Luzerner Auktion bei Theodor Fischer in die Sammlung, andere über Kunsthändler. Franz Marcs „Tierschicksale“ verkaufte Hildebrand Gurlitt an das Kunstmuseum Basel. Vom 23. bis 24. November wird zudem der Arbeitskreis Provenienzforschung e.V. im Kunstmuseum Basel tagen, die Vorträge befassen sich mit Restitution, Raub- und Fluchtkunst, und legen einen Fokus auf die Schweizer Situation. Ein Vortrag widmet sich dem Kunsthaus Zürich, beziehungsweise der Sammlung Bührle. Der Titel lautet „Sammlung Bührle. Forschung, Präsentation und (Mis)Kommunikation. Eine Lehre für die Provenienzwelt“.