Charlemagne Palestine, Cccccharrrleeewwwworlldd ddd aaaa gggessaammtttkkkunsttwwerkkk????????: Pre-Punk

Charlemagne Palestine, Cccccharrrleeewwwworlldd ddd aaaa gggessaammtttkkkunsttwwerkkk????????, 2022, Installationsansicht FRAC Alsace, Sélestat, Foto: Pierre Rich
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31. Oktober 2022
Text: Annette Hoffmann

Charlemagne Palestine, Cccccharrrleeewwwworlldd ddd aaaa gggessaammtttkkkunsttwwerkkk????????
FRAC Alsace
1, route de Marckolsheim, Sélestat.
Mittwoch bis Sonntag 14.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 13. November 2022.
www.frac-alsace.org

Den Tipp, das mit den Teddys und den anderen Plüschtieren zu lassen, bekam er früh. Vermutlich fand Charlemagne Palestine diese guten Ratschläge ziemlich wohlmeinend und vermessen. In einem Interview begründete er seine Verweigerung mit einer noch viel größeren. Er wollte sein Werk einfach partout nicht vermarkten. Sollten sich doch Künstlerinnen wie Marina Abramović dem Kunstmarkt andienen. Später beobachtete er, wie Performances in den frühen 1970er Jahren Punk wurden, er selbst spricht von sich als Pre-Punk. Man könnte auch sagen Plüsch-Punk. Denn zur Marke ist Charle­magne Palestine, der 1945 oder 1947 als Kind einer osteuropäischen jüdischen Familie in New York auf die Welt kam, dennoch geworden. Der FRAC Alsace in Sélestat hat dem in Brüssel lebenden US-amerikanischen Künstler eine Carte blanche gegeben. Dass die Einzelschau mit dem 120. Geburtstag des Teddys zusammenfällt, ist eine schöne Koinzidenz.

Kindern, die von außen in den Ausstellungsraum schauen, dürfte das Gesehene wie eine Verheißung vorkommen. Nicht zu zählende Stofftiere sind hier versammelt, die einzelnen Arbeiten lassen sich kaum auseinander dividieren. Es sieht aus als könnte man direkt in eine dieser Jahrmarktsboxen schlüpfen, aus denen mit einem Greifarm Plüschtiere geangelt werden. Kleine Fallschirme hängen von der Decke sowie Ventilatoren, die die Diskokugeln in Bewegung setzen. Wo noch nichts war, hat Charlemagne Palestine Stoffe gespannt. Da leidet jemand sichtlich unter einem Horror vacui. Doch natürlich funktioniert auch diese Präsentation nach musealen Regeln. Nicht nur um den Ausstellungstitel ist etwas Grenzensprengendes. Es beginnt beim Künstlernamen: das Reich Charlemagnes, Karls des Großen, umfasste fast das heutige Europa. Palestine macht „Performances 360°“ oder wie in Sélestat ein „gggessaammt­tt­kkkunsttwwerkkk“, jedoch mit einer Reihe von Fragezeichen versehen. Die Wiederholung der Buchstaben kommt nicht von ungefähr, sie greift das sogenannte „Strumming“ auf, eine musikalische Praxis, die Palestine von der Gitarre auf das Klavier übertragen hatte. In der Musikszene ist Charlemagne Palestine mit dieser repetitiven Musik bekannt geworden.

Der Künstler ist nicht der Autodidakt, der er zu sein scheint, wenn man ihn in einer Videoinstallation auf sieben Screens auf einem Tierfriedhof herumtollen sieht. Palestine studierte an der New York University, am Mannes College of Music und am California Institute of the Arts. Er ist ausgebildeter Glockenspieler und arbeitete mehrere Jahre in New York als Carilloneur. Seine Kompositionen werden zusammen mit denen von Steve Reich und Philip Glass genannt. Er selbst versteht sich lieber als Vertreter eines Maximalismus denn als Minimalist. Und wenn man sich inmitten dieses Gesamtkunstwerks befindet, das jedoch eher ein Gesamtwerk ist, und der konzentrierten, meditativen Tonfolge zuhört, die vom Klavier kommt, bringt man diese beiden Seiten von Charlemagne Palestine zwar nicht zusammen, doch sie versöhnen sich auf eine gute Weise.