Brice Marden: Hin zum Prozesshaften

Brice Marden, Elements 1, 1981-1982 (l), Werke aus der Serie "Post and Lintel", 1984/2019 (r), 2022, © ProLitteris, Zürich, Foto: Jens Hänggi
Review > Basel > Kunstmuseum Basel
12. Juli 2022
Text: Iris Kretzschmar

Brice Marden.
Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben16, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00.
Bis 26. August 2022.
www.kunstmuseumbasel.ch

Eine Ausstellung im Neubau des Kunstmuseums Basel zeigt 104 Werke auf Papier und acht Gemälde des bekannten US-amerikanischen Künstlers Brice Marden (*1938). Die Schau zeigt auch Stu­dien, die den Verlauf des künstlerischen Wettbewerbs von 1978 zur Neugestaltung der Chorfenster im Basler Münster nachzeichnen. Zwischen 1980 und 1985 hatte Marden mehrere Entwürfe für die gotischen Lanzettfenster und Rosetten entwickelt. Einfache rhythmische Farbflächen in Rot, Gelb, Blau und Grün sollten die historischen Fensterformen durchziehen, mit Licht und Farbe, mal ruhiger, mal dynamischer, den Raum erweitern. Man wünschte sich so sehr, dass diese Farbmeditationen, die Schöpfung und Vergänglichkeit in elementarster Form veranschaulichen, sich durchgesetzt hätten. Leider endet 1987 eine langjährige Kontroverse mit der Ablehnung des Geschenks einer privaten Stiftung. Damit schloss sich ein weiteres unglückliches Kapitel zum Fensterschmuck im Basler Münster.

Für Marden waren diese Basler Jahre dennoch sehr fruchtbar und wurden zur Basis für sein weiteres Schaffen. Zahlreiche im Umfeld des Wettbewerbs entstandene Werke, die „Window Paintings“, zeigen den Umbruch in seinem Œuvre. Die bis zu diesem Zeitpunkt monochromen, eher an Minimal Art angelehnten Paneele des Frühwerks, beginnen sich zu öffnen und langsam der bewegten, expressiven Geste Platz zu geben. Die Verlagerung auf das Prozesshafte, auf landschaftliche und architektonische Gebilde ist in mehreren Werkgruppen, in der Gegenüberstellung von Zeichnung und Malerei zu beobachten.

Das grossformatige Gemälde „The Muses“ (1991-93) evoziert mit schlingernden, sich überlagernden Pinselzügen einen wilden Tanz der Schutzgöttinnen der Künste ‒ ohne sie physisch darzustellen. Quasi tänzerisch schichtet Marden grünliche und bläuliche Pinselstriche übereinander, lässt den Bildgrund mitschwingen, arbeitet mit verlängertem Pinsel, um den Zufall einzubeziehen und schabt stellenweise die Farbe wieder ab. In der Betrachtung wird man zum Teil des bewegten Geschehens, erfährt Zeit, Raum und Ekstase. Hingegen ist der Ausdruck von „Post and Lintel“ (1984/2019) sehr ruhig. Vergleichbar mit der menschlichen Existenz entschwinden Raum und Licht in zehn Stationen: Auf einem orthogonalen Raster aufbauend führt grösste Helligkeit zur tiefsten Dunkelheit. Die Beschäftigung mit asiatischer Kalligraphie und Reisen in den Osten, führen seit den 1980er Jahren zur Auseinandersetzung mit den bildhaften Schriftzeichen. Die 35-teilige Werkgruppe „Cold Mountain Series“ (1990/91), ein Schlussakkord in der Ausstellung, geht auf die zeitlosen Gedichte des Zen Meisters Han Shan aus dem 7./8. Jahrhundert zurück.