Landpartie III

Thomas Scheibitz, Stein, 2008/2022, Installationsansicht im Skulpturenpark Kloster Schönthal, 2022, Courtesy the artist
Thema
6. Juli 2022
Text: Iris Kretzschmar

Thomas Scheibitz, If seven was five.
Kloster Schönthal, Langenbruck.
Bis 6. November 2022.
www.schoenthal.ch

Thomas Scheibitz, If five was seven, Kloster Schönthal, Langenbruck
Das „Relief“ (2022) begrüsst die Gäste am Eingang der ehemaligen Kirche des Klosters Schönthal, wenn sie von ihrer Wanderung aus dem umliegenden Skulpturenpark kommen. Es besteht aus mehreren Schichten durchbrochener Holzfaserplatten. In bunten Farben gefasst, überlagern sich verschiedene Ebenen, die von einem über die Kanten ausgreifenden, schwarzen Ring mit orangefarbigen Kanten abgeschlossen werden. Die hybride Arbeit ist zwischen Bildhauerei und Malerei angesiedelt und öffnet den Bildraum bis zur Wand. In der Frontalansicht zeigt sich das Relief als Bildtafel, mit verändertem Standort werden die Tiefendimensionen deutlich.

Thomas Scheibitz (*1968) ist Maler und Bildhauer. Nach einer Ausbildung als Werkzeugmacher studierte er an der Hochschule der Bildenden Künste in Dresden Malerei und zeigte seine Arbeiten in Europa und den USA. 2005 gestaltete er zusammen mit Tino Sehgal den deutschen Pavillon an der Biennale in Venedig. Seit den 1990er Jahren hat der Künstler eine eigene Bildsprache entwickelt, die zwischen Figuration und Abstraktion oszilliert. Er bedient sich an Fragmenten aus Kulturgeschichte, Alltag und Architektur, transformiert und verwandelt sie im Arbeitsprozess. Dazu gehören auch Werke aus dem Barock, wie beispielsweise die „Ansicht von Rhenen“, ein Ölgemälde aus dem 17. Jahrhundert von Hercules Seghers. Das gleichnamige Wandobjekt von Scheibitz aus dem Jahre 2006 sieht aus wie ein futuristisches Vogelhäuschen mit einem Giebel, orthogonalen Öffnungen und herabgeklappter Türe. Betrachtet man seine Arbeit mit dem „wiedererkennenden Sehen“ (Max Imdahl) könnte man höchstens den spitzen Giebel des Wandobjekts mit dem abgebildeten Kirchenturm im Gemälde verbinden. Ganz klar löst das Objekt die alte Szenerie visuell nicht ein und ist auch nicht narrativ gemeint. Als Scheibitz sich das Original in Berlin anschaute, war er fasziniert davon. In einem Essay beschreibt er seine Eindrücke mit Worten wie „Von fremder Hand gebautes Gelände, ins Format gezwungene Kinoperspektive“, die „etwas Visionäres im Generellen“ hat. Die Fremdartigkeit seines Wandobjektes passt gut dazu. Viel eher inszeniert er hier eine Metaebene seiner Wahrnehmung, deren Brüche und die Unmöglichkeit einer heutigen Rezeption dieses Gemäldes.

Mit dem „Sehenden Sehen“, einer unvoreingenommenen Wahrnehmung, lässt sich das Werk von Scheibitz viel eher betrachten. Der Künstler, lotet hier eine Schnittstelle aus, vermeidet narrative Bezüge und lenkt unser Auge auf die Spannung seiner Komposition. Er spielt mit Brüchen, Form- und Farbkontrasten, vor- und zurückspringenden Elementen, glänzenden und matten Oberflächen und stösst so einen spannenden Wahrnehmungsprozess an, der das Wesentliche seiner Arbeit ins Zentrum rückt – das intuitive Sehen.