Koyo Kouoh

Koyo Kouoh, © Zeitz MOCAA, Kapstadt
Porträt
19. Juni 2022
Text: Dietrich Roeschmann

8. Triennale der Photographie.
Zwölf Ausstellungen im Bucerius Kunstforum, Deichtorhallen, Hamburger Kunsthalle, Jenisch Haus, Kunsthaus Hamburg, Kunstverein in Hamburg, MARKK Hamburg, Museum der Arbeit, Museum für Hamburgische Geschichte und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
20. Mai bis 18. September 2022.

www.phototriennale.de

Als Koyo Kouoh vor zwei Jahren den wichtigsten und höchst dotierten Kunstpreis der Schweiz, den Prix Meret Oppenheim, verliehen bekam, stellte das Schweizer Bundesamt für Kultur ein Video mit der Preisträgerin ins Netz. Kouoh saß entspannt auf einem Sofa, die Beine übereinander geschlagen, der Blick konzentriert. „Die Menschen hinter den Kunstschaffenden sind es, die mich hauptsächlich interessieren“, sagte sie in fast akzentfreiem Zürcher Dialekt direkt in die Kamera. „Sie sind für mich noch spannender als ihre Werke“. Eine bemerkenswerte Äußerung für eine Kuratorin. Tatsächlich setzt sie in ihrer Arbeit seit langem konsequent auf Kollaboration und Komplizenschaft mit den Kunstschaffenden. Das gilt auch für ihren aktuellen Job als Künstlerische Leiterin der 8. Triennale der Photographie Hamburg, zu dem sie 2020 nur wenige Tage vor der Preisverleihung in der Schweiz berufen worden war. Das erste, was sie danach verlauten ließ, war: „Ich freue mich darauf, das Team zusammenzustellen, das mich auf dieser Reise begleiten wird“. Wenig später präsentierte sie mit Rasha Salti, Gabriella Beckhurst Feijoo, Oluremi C. Onabanjo und Cale Garrido das Kuratorinnen-Kollektiv der Triennale – und setzte damit zugleich ein Zeichen. Lange genug hatte der männliche, weiße Blick das Festival geprägt. Höchste Zeit für einen Perspektivwechsel.

Für Koyo Kouoh, die in Basel, Dakar und Kapstadt lebt, ist das zentral. „Ich glaube, Kunst kann den Menschen die Augen öffnen für die Welt außerhalb Europas und Amerikas. Sie ist nicht allein Form und Ästhetik, sondern macht auch gesellschaftliche Prozesse sichtbar. In Afrika ist Kunst fast ausschließlich politisch. Wir müssen uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen, um daraus zu lernen, zu heilen. Denn unsere Vergangenheit prägt die Gegenwart, in der wir über unsere Zukunft nachdenken. Kunst schärft das Bewusstsein für uns selbst und das Bewusstsein für andere.“

Die 54-Jährige, die als eine der einflussreichsten Vermittlerinnen zeitgenössischer Kunst aus Afrika gilt, ist in Kamerun geboren und kam 1981 in die Schweiz. Sie hat bei der Credit Suisse in Zürich eine Bankausbildung absolviert, bevor sie Mitte der Neunzigerjahre nach Senegal zog und dort 2008 in Dakar die international renommierte RAW Material Company gründete, ein unabhängiges Zentrum zur Förderung des künstlerischen und intellektuellen Nachwuchses in Afrika. Seit Mai 2019 ist Koyo Kouoh zudem Geschäftsführerin und Chefkuratorin des Zeitz MOCAA in Kapstadt. Das Museum in einem riesigen ehemaligen Getreidesilo ist das weltweit grösste Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst in Afrika.

In Hamburg praktizieren Kouoh und ihr Triennale-Team den Perspektivwechsel auch thematisch. In der zentralen Ausstellung „Currency: Photography Beyond Capture“ in den Deichtorhallen geht es, wie sie schreiben, nicht „um die Fotografie als Dokument von Essenz oder verbindlicher Wahrheit, sondern als Rahmen und Kontext für erzählerische Erfindungen“. Zu sehen sein werden hier Arbeiten von rund 30 Kunstschaffenden, die auf denkbar umfassende Weise Einblick geben in die Vielgestaltigkeit fotografischer Praxis der Gegenwart – von der Auseinandersetzung mit den Landschaften des Anthropozäns über die Kraft der Intimität in sozialen Beziehungen bis zu poetischen Erkundungen alchemistischer Prozesse der Fotografie.