Architekturtage Oberrhein: Suche nach Antworten auf gegenwärtige Krisen

Homo Urbanus, © Beka Lemoine
Thema
26. September 2021
Text: Annette Hoffmann

les journées de l’architecture /die Architekturtage. w
www.m-ea.eu/de
24. September bis 31. Oktober 2021.

Meisenthal © David Foessel, FREAKS ARCHITECTURE Paris

Dass die diesjährigen Architekturtage Oberrhein mit „Alternative? Architektur!“ überschrieben sind, zeugt von mehr Selbstbewusstsein als es auf den ersten Blick scheint. Denn man muss nur kurz nachdenken, um sich daran zu erinnern, dass die Architektur Teil des Problems ist: des unbegrenzten Wachstums und der Verschwendung von Ressourcen. 2018 initiierten Dominique Gauzin-Müller, Alain Bornarel und Philippe Madec das Manifest für eine glückliche und kreative Genügsamkeit „Frugalité heureuse et créative“. Und ein gutes Jahr später antwortete der Bund deutscher Architektinnen und Architekten in Halle mit dem Positionspapier „Haus der Erde“. „Wir müssen zeigen, dass der tägliche Umweltwahnsinn, wie beispielsweise der ungebremste Flächenfraß, der Vorrang von Neubauten oder der Fetisch Mobilität, nicht alternativlos ist. Ansonsten brauchen wir über eine Zukunft nicht mehr nachzudenken“, heißt es da. Die Architekturtage Oberrhein haben also in der Architektur bereits die Antwort gefunden. Während der trinationalen Veranstaltungsreihe wird die gleichnamige Wanderausstellung „Frugalité créative – Weniger ist genug“, die 20 nachhaltige Bauten in Strasbourg und 15 weitere im deutschsprachigen Raum vorstellt, im KMØ in Mulhouse zu sein (15.10. bis 15.11.).

Der Wandel hin zu einem flächen- und ressourcenschonenden Bauen wäre nicht die erste architektonische und soziale Veränderung, die die Region erlebt hat. Und die Architekturtage Oberrhein nehmen darauf Bezug, indem sie zeigen, wie ehemalige Industrieareale heute durch Kunstschaffende und Kreative genutzt werden. Vergessen wird dabei, wie einschneidend der Wegfall von Arbeitsplätzen in der Textilindustrie für die Stadtgesellschaft, etwa für Mulhouse war. Unter anderem war er auch verantwortlich für den Niedergang der SOMCO-Arbeiterhäuschen nach englischem Vorbild. Die neue Cité Manifeste, an der sich auch das Büro von Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal 2005 beteiligten, ist immer noch so etwas wie eine Blaupause für zeitgenössischen sozialen Wohnungsbau. Lacaton, Pritzker-Preisträgerin 2021, wird zum Abschluss der Architekturtage am 28. Oktober im Zenith in Strasbourg sprechen.

Die Pandemie hat noch einmal die Flucht auf das Land verstärkt. Doch wer nicht Boden und womöglich sogar Natur für neue Häuser aufgeben will, muss die Städte attraktiver machen. „Klein- und Mittelstädte sind dafür als Wohn- und Arbeitsorte mit hoher Lebensqualität in ihrem kulturellen und sozialen Angebot und ihrer wirtschaftlichen Basis zu festigen“, lautet die Position für eine klimagerechte Architektur in Stadt und Land „Haus der Erde“. Die Fragen sind gestellt, am Oberrhein gibt es bereits ein paar Antworten zu besichtigen.