Sweat.Haus der Kunst. Prinzregentenstr. 1, München.
Montag, Mittwoch, Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr. Donnerstag 10.00 bis 22.00 Uhr. Freitag, Samstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 9. Januar 2022.
www.hausderkunst.de
Für Martin Luther war die Arbeit, war der Schweiß ein Gottesdienst, für den man im jenseitigen Leben belohnt wird. Dass man bereits im diesseitigen Leben für seine Anstrengungen den Lohn einfahren kann, das ist ein Versprechen, das man in den USA Einwanderern gibt. Vom Tellerwäscher zum Millionär, so lautet die berühmte, dann doch nur selten Realität werdende Mär, für die auch die Freiheitsstatue symbolisch einsteht. Für all diejenigen, welche in Amerika das erhoffte Glück nicht fanden, hat die philippinisch-amerikanische Künstlerin Pacita Abad 1992 ihre ganz eigene Freiheitsstatue genäht, gemalt und mit Materialien wie Knöpfen oder Spiegeln versehen. Abads „L.A. Liberty“ ist schwarz, trägt ein gemustertes Patchwork-Kleid und von ihrem Kopf geht ein bunter Strahlenkranz aus.
Zu sehen ist „L.A. Liberty“ zusammen mit zwei weiteren wunderbaren Werken von Pacita Abad in der von Anna Schneider und Raphael Fonseca kuratierten Ausstellung „Sweat“ im Münchner Haus der Kunst. Diese hat den Schweiß als „Ausdruck von Leben und Transformation“ zum Thema, als eine „künstlerische Strategie des Widerstands“. Als Beleg dafür dienen mehr als 20 künstlerische Stimmen. Darunter viele aktuelle, aber auch einige, die bis in die Siebziger zurückreichen. Ein paar sind bekannt, viele klingen weniger vertraut. Und es gibt so einige Entdeckungen, für deren Aufstöbern man den Kuratoren danken kann. An Themen und Theorien haben Schneider und Fonseca ebenfalls viel hineingepackt, von feministischer oder indigener Selbstbestimmung bis Globalisierung, Migration und Postkolonialismus.
Bei so viel Theorielast kommt man beim Lesen der mit Schlagworten gesättigten Begleittexte schon ins Schwitzen. Aber zum Glück zeigen sich viele der Werke auch diesem Korsett gegenüber resistent. Das gilt vor allem für die im ersten der vier Räume, der unter anderem den Gründungsmythen und identitätsstiftenden Formen in der Diaspora gewidmet ist. Da steht man etwa den „Great Goddess Cut-Outs“ von Mary Beth Edelson von 1974/75 gegenüber. An Totempfähle erinnernde Figuren, die weibliche Gottheiten repräsentieren. Daniel Lind-Ramos würdigt mit seinen beeindruckenden Skulpturen aus alten Bauteilen oder Haushaltswaren das kulturell-spirituelle Erbe der afro-puerto-ricanischen Bevölkerung. Der Brasilianer Mulambö widmet sich in einer auf kleinen Pappkartons gemalten Bildserie dem Samba und Zadie Xa aus Kanada vermengt in ihren Masken und Gemälden koreanische Mythologie und Popkultur.
Um „visuelle Ausdrucksformen des öffentlichen Protests“ geht es im nächsten Themenraum. Dazu gehört ein Urinal, das ursprünglich in Lissabon stand und welches das portugiesische Künstlerduo Vale und Ferreira als Readymade präsentiert. Es diente früher Homosexuellen als heimlicher Treffpunkt und ist mit Texten besprüht, die sich um Lust und Unterdrückung drehen. Dass auch Tanzen Widerstand sein kann, zeigt Santiago Reyes mit seiner Performance-Reihe „Dancing Southward“, welche durch zwei Videos und T-Shirts dokumentiert wird. In Raum 3 geht es um sexuelle Stereotype, die Tschabalala Self mit ihren an weibliche Körperteile erinnernden Sitzmöbeln sinnfällig ins Bild rückt, während Tabita Rezaires „cyberfeministische“ Collagenserie nur kitschig wirkt. In comicartigen Bildern interpretiert Kaylene Whiskey einen Mythos der Aborigines neu und lässt darin Popfiguren wie Tina Turner auftauchen. Bilder, die wie etwa auch Abads „L.A. Liberty“, eine experimentelle Doku über den Notting Hill Carnival von Isaac Julien oder das Video „Samba #2“ des Duos Chameckilerner für Globalisierung und Migration stehen. In „Samba #2“ sieht man die Hüfte einer Tänzerin in extremer Zeitlupe zu einer wogenden Hautlandschaft werden, die sich dem erotisierenden Blick entzieht. Genauso wie sich die Kunst dem nicht immer griffigen Konzept der trotzdem sehenswerten Ausstellung verweigert. Aber Schweiß ist eben glitschig. Die Kuratoren waren also gewarnt.