Michaela Eichwald.
Kunstbau der Städtischen Galerie im Lenbachhaus,U-Bahn-Station Königsplatz, München.
Dienstag, Mittwoch, Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis Samstag 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 12. September 2021.
www.lenbachhaus.de
Da ist man gerade noch an „Hallo Schmierlapp“ und „Kartoffelschälgruppe Alperbrück“ vorbeigekommen und dann plötzlich diese Frage: „Gibt es denn wirklich nichts Schönes, nichts Schöpfungsbejahendes mehr?“ Tja, was soll man darauf antworten? Und muss man das überhaupt? Nun, wohl nicht wirklich. Zumindest wenn man alleine vor dem gleichnamigen Gemälde von Michaela Eichwald im großräumigen, fast komplett menschenleeren Kunstbau des Münchner Lenbachhauses steht, der sich im Zwischengeschoss der U-Bahn-Station „Königsplatz“ befindet. Dort ist aktuell eine Ausstellung mit zwölf Plastiken und 33 Gemälden der 1967 in Gummersbach geborenen und in Berlin lebenden Künstlerin zu sehen. Zum Glück, könnte man noch anfügen. Denn beinahe hätten sich Eichwalds Kunstwerke, von denen zwei Drittel eigens für die Schau geschaffen wurden, gegenseitig irritieren, verblüffen und belustigen müssen. War doch ursprünglich der 16. Mai als Finale gedacht. Bis dahin war der Kunstbau wegen Corona fast durchgehend geschlossen. Und so hat sich das Lenbachhaus aus Solidarität gegenüber der Künstlerin für eine Verlängerung entschlossen.
Der 12. September ist nun das neue Enddatum der Ausstellung (die dann ab 8. Oktober in der Kunsthalle Basel zu sehen sein wird). Bis dahin kann man unterirdisch in die durchaus eigenwillige Form-, Farb- und vor allem Materialwelt der Künstlerin eintauchen, die statt Kunst Philosophie, Philologie, Geschichte und Kunstgeschichte im Köln der Achtziger und Neunziger studiert hat. Dort bewegte sie sich im Umfeld der Zeitschriften „Spex“ und „Texte zur Kunst“ und startete ihre Karriere 1989 zunächst als Texterin und Lyrikerin, bevor sie über kollektive, experimentelle Filmarbeiten bei der Bildenden Kunst landete. Das „Literarische“ spielt genauso wie die Kunstgeschichte oder Philosophie in ihrer Arbeit weiterhin eine Rolle, und das sehr oft in den häufig ironischen und anspielungsreichen Titeln. Weitere Beispiele gefällig? „Für die Luchsbeauftragten aus dem Harz“. „Heute kein Besuch“. Oder: „Das Kommen und Gehen der Lebewesen in dem schmalen, ihrem Wirken offenstehenden Hohlweg“.
Auch auf den Gemälden gibt es Text. Wie etwa auf dem dreieinhalb Meter hohen „Bitte“, wo es auffordernd heißt: „bitte abholen und wegbringen“. Und auf der Breitwand „Mountains“ steht: „Das Bild sollte sich am Prozess beteiligen“. Kunstwerk und Zuschauer sind hier also beide gefordert, sollen fortführen, was die Künstlerin begonnen hat. Offen genug sind die Werke jedenfalls dafür, die mit Acryl, Lack, Sprühfarbe, Schellacktusche oder Holzbeize auf Materialien wie Kunstleder oder Kunststoffgewebe (Polyurethan) gemalt sind. Die Kunst als Industrielabor. Ausgeführt ist das mit grobem Strich. Ein bewusster Verzicht aufs Virtuosentum. Eine postmoderne Art Brut, die zudem an neoexpressionistischen Gruppierungen wie Spur oder Cobra andockt, mit einer Tendenz zu Komik, Comic und zum Blödsinn. Könnte etwa das, was sich auf „Zur Klärung eines Sachverhaltes bitte mitkommen“ in schwarzen Strichen auf einem Mix aus Gelb-, Blau-, Braun- und Grautönen abzeichnet, das schräge Figurenpersonal aus einer Beamtenstube sein? Und was sind diese abstrakten, orangen Figuren auf „Was gesagt wird, ist egal. Was Sache ist, darum geht‘s“? Ein Pferd und ein tanzender Vogel mit Hut?
Sehr originell und humorvoll sind auch die Skulpturen von Michaela Eichwald, die im Raum verteilt auf kleinen Sockeln stehen. Hierfür hat sie Dinge wie einen Geldschein, einen Angelhaken, Spielzeugroboter oder eine Gummischlange in Kunstharz oder Silikon gegossen. Zudem nutzt sie etwa einen Spiegel oder eine Spielfigur als Ständer. Die Ergebnisse sehen aus wie Alltagsreste in Aspik und tragen Titel wie „Stußbedürfnis“ oder „Pandemiebeauftragter Sachsen“. Der Schalk, man merkt es, er steckt Michaela Eichwald permanent im Nacken. Die Realität, sie tut es aber auch.