Making the World: Welten im Dialog

Ibadan ist ein glücklicher Ort, von Yoruba in Nigeria, vor 1973 , © MKB, Omar Lemke
Review > Basel > Museum der Kulturen
29. Juni 2021
Text: Iris Kretzschmar

Making The World. Gelebte Welten.
Museum der Kulturen, Münsterplatz 20, Basel.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr.
Bis 23. Januar 2022.
www.mkb.ch

Paul Klee, Reicher Hafen (ein Reisebild), 1938, Geschenk der Klee-Gesellschaft, 1948, © Kunstmuseum Basel
John Mawurndjul, Mardayin design at Milmilngka, Australien, 2004, © MKB, Omar Lemke

Sich eine Welt geistig und bildlich zu erschaffen und über die Generationen hinweg weiterzutragen ist eine schöpferische Leistung aller Kulturen. In Bildwerken können verlorene Erzählungen und Vorstellungen von Kulturen aufscheinen, Objekte an spirituelle Dimensionen erinnern. So kann eine Stabkarte der Marshall-Inseln heute kaum noch gelesen werden – andere Bildwerke sind bis heute verständlich. Darüber lässt beim Besuch der Ausstellung „Making the World – Gelebte Welten“ im Museum der Kulturen nachdenken. Hier wird ein spannender Dialog zwischen Kunst und Ethnologie inszeniert. Der fruchtbare Austausch findet seine Fortsetzung ab November im Kunstmuseum Basel mit „Spirituelle Welten“. Waren die Fachgebiete in der Neuzeit in den Kunst- und Wunderkammern nicht noch eine Einheit? Die Spezialisierung der Disziplinen und die damit verbundene Hierarchisierung fanden erst später statt.

Geordnet ist die Schau in fünf Kapitel. Das erste, mit „Kosmos“ betitelt, zeigt unterschiedliche Vorstellungen von Weltdeutungen aus mehreren Kontinenten. Eine balinesische Malerei trägt die „Quirlung des Milchmeers“ vor: Eine lebhafte, vielfigurige Szene, die im Zusammenhang mit der Rettung und des Fortbestands der Welt steht. Grafisch und stark reduziert erscheint hingegen die Malerei auf Rindenbaststoff aus Brasilien: Ein Rad mit der Sonne im Zentrum und vier Achsen für die Windrichtungen. Solche textilen Bilder stehen im Zusammenhang mit Mädcheninitiationen, um junge Frauen bei diesem wichtigen Schritt zu beschützen und ihnen einen Platz im Kosmos zu geben.

In einem nächsten Raum geht es um „Spuren in Landschaft, Leben und Erinnerung“. Im Zentrum steht eine Anordnung aus unzähligen hölzernen Pflügen, die spielerisch ineinander verkeilt, locker als Kunstinstallation durchgehen könnte. Die hölzernen Gebilde überzeugen mit ihrer taktilen Qualität und der Vielfalt ihrer Ausformung, die je nach Herkunft und Zeit individuell geprägt ist. Früher dienten diese Ackergeräte der Ethnologie zur Klassifizierung – so wird heute Geschichte der Wissenschaft humorvoll befragt. Umkreist werden die Geräte von Bildern des Reisanbaus aus Indien, von Götterstatuen, die Fruchtbarkeit in der Landwirtschaft garantieren. Daneben eine idyllische Landschaft mit wogenden Kornfeldern aus der Schweiz von Robert Zünd. Weniger friedlich sind Darstellungen von Zerstörung: Das berühmte Erdbeben in Basel in einer monumentalen Historienmalerei von Ernst Stückelberg oder Panzer und Handgranaten als Ornament auf afghanischen Bildteppichen. Daneben das kleine, melancholisch-poetische Antikriegsbild der Basler Künstlerin Lotti Krauss mit Verweisen auf die Auseinandersetzungen am Hartmannsweilerkopf. Auch Fischli/Weiss ist mit einem bedrohlichen, monströsen Baumstrunk anwesend, während Peti Brunners großformatige Gouache „Ohne Titel“ die Zerstörung der Natur anmahnt.

„Beziehungen und Austausch“ werden im großen Saal thematisiert. Hoch aktuell im Zusammenhang mit heutigen Emigrationsthemen ist das Video „Farafin a ni Toubabou (Der Schwarze und der Weisse)“ von 2005-2007 von Adrien Sina und Mamary Diallo aus Mali. Der Film zeigt schwarze und weisse Hände, die fleissig Objekte tauschen. Fetische, Pässe, Mineralien und Schmuck werden hin und her geschoben – bereits nach kurzer Zeit verlieren sich die Territorien und Rollen. Für die Kommunikation mit dem Jenseits und spirituellen Welten stehen Ahnenfiguren und Jagdhelfer aus Indonesien und Papua-Neuguinea, die den Dialog mit Apos­tel-, Ex Voto- und Wallfahrtsbildern der christlichen Religion aufnehmen. Eine Gruppe im Kreis installierter Milchtrichter evoziert den Ruf des Alpsegens in der Bergwelt, eine Form von Gebet, die heute leider immer seltener zu hören ist.

Mit „Welten der Imagination“, einem Thema, das alle Kulturen vereint, schliesst die Ausstellung. „Day Before One“ von Barnett Newman mit seinem unendlichen blauen Bildraum, schliesst den Bogen zum ersten Raum und führt uns an Anfänge der Schöpfung und des Menschwerdens zurück.