Bruce Conner: Im Rhythmus der Medienbilder

Bruce Conner, Crossroads, 1976, Filmstill, Courtesy Cohn Gallery & Conner Family Trust, © Conner Family Trust
Review > Basel > Museum Tinguely
25. Juni 2021
Text: Dietrich Roeschman

Bruce Conner: Light out of Darkness.
Museum Tinguely, Paul-Sacher-Anlage 1, Basel.
Dienstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 28. November 2021.
www.tinguely.ch

Bruce Conner, A Movie, 1958, Filmstill, Courtesy Cohn Gallery & Conner Family Trust, © Conner Family Trust

Wo Jean Tinguely zuhause ist, ist der Lärm nicht weit. Wenn sich im Basler Museum Tinguely etwa seine legendäre Schrottarchitektur „Grosse Méta-Maxi-Maxi-Utopia“ in Bewegung setzt oder Besuchende per Buzzerkontakt die 14-teilige Skulpturengruppe „Mengele-Totentanz“ zum Leben erwecken, dann schallt für ein paar Minuten eine beeindruckende Kakophonie aus Klappern, Quietschen, Stöhnen und Pfeifen durchs Haus. Aktuell mischen sich in diese Klangkulisse weitere Geräusche. Detonationen, Minimal Music, Polizeisirenen, krude Fetzen indigener Musik, dazwischen die krachig-monotonen Beats der Art-Punk-Band DEVO oder die frühen Sample-Gewitter aus Brian Enos und David Byrnes „Mea Culpa“. Willkommen im Echoraum der Pop-Geschichte. Die nervösen Soundspuren, die sich hier kreuzen, stammen alle aus den Filmen des US-amerikanischen Filmkünstlers Bruce Conner (1933-2008), dem das Museum Tinguely derzeit eine konzentrierte Werkschau widmet.

In Kanada geboren, hatte Conner seine Karriere in den 1950er Jahren in San Francisco begonnen, zunächst als Bildhauer, mit wüsten Ready-made-Assemblagen aus Nylonstrümpfen, Sperrmüll und Pelz. Später in den Sechzigern, lancierte er eine dadaistische Wahlkampagne, mit der er als „Superconner“ in den Stadtrat von San Francisco einziehen wollte, plante, alle Bruce Conners in den USA zu einer großen Bruce-Conner-Convention einzuladen, schrieb Nachrufe auf sich selbst oder verwendete den Namen seines Freundes Dennis Hopper als Pseudonym. Zum internationalen Durchbruch verhalfen ihm aber vor allem seine Filme, die in Basel nun in einer konzentrierten Auswahl zu sehen sind. Sein erster Film, schlicht „A Movie“ betitelt, entstand 1958, und schon mit dieser Arbeit machte Conner klar, dass er seine eigenen Vorstellungen vom Filmemachen hatte – ohne Kamera. Die rasante Found-Footage-Montage aus Werbeclips, Wochenschauen und B-Movie-Fragmenten versammelte ein überbordendes Archiv an Klischees des amerikanischen Kommerzkinos: Auto-Crashs, Tomahawk schwingende Indianer, U-Boote, nackte Pin-Up-Girls, Explosionen – wie ein Tsunami spülte „A Movie“ die visuellen Trümmer der medialen Wirklichkeit auf die Leinwand, begleitet vom Tinnitus-Flirren überdrehter Hollywood-Geigen.

Auch „Report“ (1963-1967) folgte dieser Stategie des visuellen Overkills – allerdings mit einem Unterschied: den Soundtrack lieferte der Live-Mitschnitt des Attentats von Lee Harvey Oswald auf US-Präsident John F. Kennedy. Die Stimme des Reporters, der das Geschehen kommentiert, wirkt verletztlich vor Aufregung, Panik und Fassungslosigkeit. Da Conner aus rechtlichen Gründen keinen Zugriff auf das Filmmaterial der Fernsehsender hatte, behalf er sich mit anderen, privaten Aufnahmen des vorbeifahrenden Präsidenten-Autos, der lächelnden Gesichter von Jackie und JFK, verschnitten mit Bildern von Stierkämpfen, zerschossenen Glühbirnen, der Tatwaffe Oswalds oder stroboskopartig flackernden Schwarz-Weiß-Flächen, die sich im Moment des Todes in Weiß auslösen.

Ende der 1960er Jahre definierte das auf Single-Länge begrenzte Format des Pop-Songs für Conner ein Experimentierfeld, das ihm dramaturgisch neue Möglichkeiten der Verdichtung eröffnete. Wie präzise er dabei Sound und Bild in ständiger Konkurrenz um die größtmögliche Wirkung hielt, macht hier unter anderem sein Film „Looking For Mushrooms“ (1967) deutlich, für den er Found-Footage und Aufnahmen von Selbstversuchen mit psychoaktiven, psilocybinhaltigen Pilzen zu einer psychedelischen Halluzination über den Beatles-Song „Tomorrow Never Knows“ montierte. Stiller, in seiner kalkulierten Asynchronität aber nicht weniger auf die maximale Bildwirkung angelegt, ist der halbstündige Film „Crossroads“ (1976). Ein nervöser Minimal-Music-Teppich unterfüttert hier die Slow-Motion-Montage von NASA-Dokumenten eines Atombombenversuchs auf dem Bikini-Atoll zu einem grausam-schönen Bild der Zerstörung. Zwanzig Jahre, bevor MTV auf Sendung ging, bahnte Bruce Conner der Montageästhetik des Musikvideos mit solchen Schnitten, Verzögerungen, Spiegelungen und Loops den Weg.