Romina Abate, Nina Laaf: Den Himmel mit den Ohren riechen.
Kunsthaus L6, Lameystr. 6, Freiburg.
Donnerstag und Freitag 16.00 bis 19.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr.
Anmeldung unter 0761/5035991
www.romina-abate.de
nina-laaf.de
Ein Blick aus der Luke. Zwischen Reling und der Treppe, die aufs Oberdeck führt, schimmert der Mond auf der ruhigen See, die Nacht ist lau. Diese atmosphärische Aufnahme stammt aus dem Reisetagebuch „Überfahrt“, das die Künstler Roman Ehrlich und Michael Disqué während einer 40-tägigen Expedition in den Alltag und die Erfarungsräume des internationalen Warenverkehrs auf einem Containerschiff zwischen Hamburg und dem chineschen Qingdao anfertigten. Im Freiburger Kunsthaus L6 liegt der kleine Band jetzt aufgeschlagen auf einer Birkenholzplatte zwischen zarten Tuschzeichnungen hinter einem Glasrahmen und angeschliffenen Cognacgläsern in unterschiedlichen Größen, deren Farben mit den Nuancen der nächtlichen See auf der Fotografie korrespondieren.
Romina Abate (*1982) hat viel übrig für solche Settings, in denen sich aus scheinbar zufälligen Nachbarschaften disparater Dinge enge Beziehungen ergeben. Die in Kassel lebende Künstlerin konstruiert imaginäre Räume, gebaut aus Metaphern, Assoziationen und entlegenem Detailwissen aus Disziplinen wie Navigation und Ornitologie. So gesehen könnte man die Arbeiten aus der Werkgruppe „Meer der hunderttausend Inseln“, die Abate derzeit in einer gemeinsamen Ausstellung mit der Karlsruher Künstlerin Nina Laaf in Freiburg zeigt, installative Poesie nennen. Der Titel der Doppelschau lässt daran jedenfalls keinen Zweifel: „Den Himmel mit den Ohren riechen“ rückt die Irritation als produktive Kraft ins Zentrum von Wahrnehmung und Orientierung.
Im Kunsthaus L6 verteilen sich Abates Arbeiten tatsächlich wie kleine Inseln im Raum, den Nina Laaf (*1977) mit ihrer stegartigen Installation „simple touch“ dominiert. Aus knapp einem Dutzend Edelstahlmodulen zusammengesetzt, deren Kanten locker ineinander verzahnt sind, faltet sich ihre Arbeit L-förmig durch den Saal, bietet einem an antike Ruinen erinnenden Ensemble aus geschlitzten Gipsröhren die Bühne, und löst sich schließlich wie ein unfertiges Puzzle in seine Einzelteile auf. Anfang und Ende des Bandes markieren unterschiedliche Formen der Wahrnehmung von Wirklichkeit und Möglichkeit: Hier der fokussierte Blick auf die skulpturale Setzung einer ersten Schwelle aus Metall, Lack und geschmolzenem schwarzen Glas, dort der offene Blick auf die beliebig erweiterbare Zackenkante des letzten Moduls. Etwa durch das hochglanzpolierte Edelstahlfragment, das in einiger Entfernung auf rostigen Eisenprofilen über dem Boden zu schweben scheint. Aus ihm wächst hier eine weitere Gipsröhre, überzogen mit zarten Salzkristallen, die Laaf seit knapp einem Jahr züchtet. In der Oberfläche des Moduls spiegelt sie sich zusammen mit einer Collage-Serie aus Wellenlinien und Fotografien eines Sitzbügels für Papageien, welche Romina Abate an der Stirnwand zu einer poetischen Erzählung über die Migration der einst exotischen Vögel per Schiff nach Europa und ihren Orientierungsverlust in Gefangenschaft verknüpft. In dem engen Dialog ihrer Arbeiten gelingt es den beiden Künstlerinnen hier, eine Ordnung der Dinge zu entwerfen, die in der Vieldeutigkeit ihrer Bezüge ein bemerkenswert präzises, absolut gegenwärtiges Raumgefühl erzeugt.
[Dietrich Roeschmann]