Corona Studios II: Klaus Merkel

Klaus Merkel, 20.02.18/17.12.01 Gegend Grünewald (für + Peter Dreher) 220 x 190cm , Courtesy the artist
Klaus Merkel, 20.02.18/17.12.01 Gegend Grünewald (für Peter Dreher) 220 x 190cm, Courtesy the artist
Thema > Corona Studios II
11. März 2021
Text: Klaus Merkel

Klaus Merkel, *1953, lebt und arbeitet in Schallstadt und Freiburg.
merkel-atelier.de

Im April 2021 wird eine Einzelausstellung in der Kienzle Art Foundation in Berlin zu sehen sein, im Lauf des zweiten Halbjahres werden Arbeiten in der Galerie Nicolas Krupp in Basel gezeigt.

Die Publikation „Christian Matthiessen und Atelier Klaus Merkel: Die ersten vier Theorieinstallationen der Jackson Pollock Bar 1993–1995“ erschien als Band 148 in der Schriftenreihe der Kunstakademie Münster, ISBN 9783944784397

Den Beitrag des Künstlers zu Corona Studios I am 2. Mai 2020 finden Sie hier

Klaus, 20.06.02 Tiere (Blinker Gospel), 65x50cm, Courtesy the artist
Klaus Merkel, 20.06.02 Tiere (Blinker Gospel), 65x50cm, Courtesy the artist
Atelier im Januar 2021, Foto: Klaus Merkel
Atelier im Januar 2021, Foto: Klaus Merkel
Atelier im Juli 2020, Foto: Klaus Merkel
Atelier im Juni 2020, Foto: Klaus Merkel

Die Herde ist weiter gewachsen (siehe Corona Studios I, 2. Mai 2020) – ich arbeitete weiter mit dem Motiv der „Tiere“. (Mittelformatig angelegte Bilder, „lesbare, zeichenhafte Bildfiguren“ sichtbar wie von Ferne, mit einem nach innen gezogenen Rahmen und einem Diagonalkreuz, um das herum sich die jeweilige Gestalt ausformt. „Tiere“ impliziert Figur und Natur, und obgleich die Bilder ganz direkt lesbar sein sollen sind sie doch nicht als etwas Realistisches erkennbar; der Begriff der Spezies läuft aber im Hintergrund immer mit.) 

Parallel wurde ein bereits 2017 angelegtes Großformat im Sommer fertiggestellt: „Gegend Grünewald“, das auf meine Arbeit „Grünewald“ im MNK Freiburg bezogen ist. Es ist Peter Dreher, meinem Lehrer gewidmet, der im vergangenen Februar gestorben ist.




Fünf Fragen an Klaus Merkel

Hast du in den vergangenen sechs Monaten staatliche Hilfen beantragt? Wenn nicht, warum nicht – wenn ja, wurden sie bewilligt? Gab es in dieser Zeit ausgefallene oder verschobene Ausstellungen, Veranstaltungen, Stipendien, Jobs, Reisen? Konntest du Arbeiten verkaufen?
Im Juni 2020 war ich noch Malereiprofessor an der Kunstakademie Münster, allerdings nur per Video Chat. Ich wurde Mitte Juli im selben Format verabschiedet, meine KollegInnen schenkten mir per Post ein Paar New Balance Sneakers, um weiter gut zu Fuß durchs Gestrüpp zu kommen. Statt einer Abschiedsparty konnte ich mit der Akademie eine Publikation zur „Jackson Pollock Bar“ realisieren, die dazu geplante Veranstaltungsperformance musste dann ausfallen.

Ich mochte keine staatlichen Hilfen beantragen – weil da war bis Juli das Gehalt und der Stillstand verursacht weniger Ausgaben.
Im Fridericianum Kassel zur Retrospektive von Forrest Bess (1911-1977) sollte ich im Frühjahr 2020 Vortragsgast sein – Ende August konnte ich dann anreisen und im Rahmen „Ein zeitgenössischer Blick auf das Werk von Forrest Bess“ meine „Grenzgänge in der Malerei“ mit Publikum in der Rotunde und in der Ausstellung abhalten.

Dies blieb die einzige Reise in Sachen Kunstbetrieb. Mit dem üblichen Stop auf dem Rückweg, um ein paar Künstlerfreunde im Rheinland zu treffen, vor allem aber um die Eröffnungsausstellung Ei Arakawas in meiner Galerie Max Mayer im historischen Schmela Haus in Düsseldorf gesehen zu haben.

Sämtliche angedachten oder auf den Weg gebrachten Ausstellungsvorhaben vom Vorjahr verliefen für mich 2020 im Sand. Von KollegInnen weiß ich, dass trotz Zusagen von Institutionen Gelder für Ausstellungsvorhaben dann doch gestrichen wurden. Auch waren z.B. bestehende internationale Ausstellungen nicht mehr wie geplant rückzuführen, mussten aber weiter versichert werden. Neue Kosten, auf Eis gelegte Pläne, nichts anderes in der Pipeline, das System blockiert sich selbst. Neue Vermittlungsformate wurden erfunden und digitale Plattformen bieten inzwischen Ausstellungsrundgänge, gut gemeinte Versuche, die analoges Material in virtuellen Zauber verwandeln sollen. Das ist eigentlich nicht mein Ding.
Ich konnte obwohl in klarer Erwartung, keine Arbeit verkaufen. Anfragen wurden nicht konkret.

Erfreulicherweise gab es doch eine Überraschung: An das LWL Museum Münster ging eine Schenkung aus dem Freiburger Raum mit einer Anzahl meiner frühen Arbeiten. So wird das Westfälische Museum, das bereits ein Gemälde von mir erworben hatte, jetzt ein Werkfenster anlegen, dem ich meinerseits ein aktuelles Bild dazu stiften werde – es wird in absehbarer Zeit eine Präsentation geben.

Hat sich dein Arbeiten während des letzten Jahres verändert? Wie?
Zu der Arbeit im Atelier ist jetzt, nach der Lehrtätigkeit, genug Kapazität für meine Archivarbeit. Dafür habe ich eine zusätzliche Fläche angemietet, um zu sichten, zu erfassen und zu sortieren. Das ist eine Herkulesaufgabe, die nicht aufhört und auf mich und meine aktuelle Malerei einwirkt – das ist spannend – diese Rückblicke öffnen sich regelrecht ganz materiell, aktiv im Ateliergeschehen. Dazu ein paar Atelierfotos (siehe Fotos oben) in denen altes und neues wirklich ineinandergreift. All das hätte ich bestimmt auch ohne Lockdowns genauso gemacht.
 
Wie hast du Solidarität erfahren?
Ich habe eigentlich keine Solidarität gesucht. Bzw. für mich ist es normal, in bescheidenem Maß Arbeiten zu erwerben, damit unterstütze ich Andere, die ich schätze.
Solidarität ist ein großes Wort – also hier mal groß gedacht: Wie hätte das ausgesehen, wenn für die sehr teuren Städtischen Ateliers die Mietkosten erlassen worden wären? Es wäre doch vorstellbar, dass dies auch noch rückwirkend passieren könnte als solidarische Maßnahme der Stadt und ihrer MitbürgerInnen mit ihren Bildenden KünstlerInnen.
 
Welchen Einfluss hat der langfristige Lockdown auf den Austausch mit anderen? Was macht das mit der Kunstszene?
Der langfristige Lockdown hat den Austausch mit anderen lahmgelegt. Was bleibt sind Telefonate mit Freunden und e-mail-Fotostrecken über den jeweiligen Stand der Arbeit, kein Ersatz für echte Treffen. Ohne Eröffnungen verliert jede Szene ihren Kern. Meine Leute sind eher im Rheinland verortet, also Sendepause. In Freiburg schauen Freunde ab und an im Atelier vorbei. Mein Düsseldorfer Galerist hat aufwändig eine neue webseite produziert, die so etwas wie einen „Aufenthaltsort“ anbietet, der ständig verändert, erweitert oder verflüssigt wird: www.maxmayer.net. Eine kluge Maßnahme in einer solchen Situation, finde ich.

Die Kultur- und Kunstszene war schnell und hart vom Lockdown betroffen und ist es nach wie vor, bislang unabsehbar. Ist das okay, oder wie hätte ein anderer Umgang mit Kunstschaffenden aussehen können? Wie soll es weiter gehen, was muss anders werden?
Corona hat vor allem den Umgang miteinander und den Zugang zu Kunst erschwert. Für die manche Künstlerinnen sind das extrem harte Zeiten und für andere sind es sogar kurzfristig entspanntere Zeiten, wie ich über die Förderprogramme in Berlin erfuhr.
Zur Kulturszenenproblematik kann ich wenig sagen – die Kunstszene allerdings ist in einem schlechten Zustand, weil die Zuversicht als tragendes Element künstlerischer Praxis für alle spürbar abnimmt. Das ist nicht okay. Wie weiter? Im Öffentlichen Raum gibt es sicherlich nicht ausgelotete Möglichkeiten – das wäre Sache der Institutionen oder von Initiativen. Aber bitte bloß kein Bottrop oder Straubing, wo allen Ernstes Bilder in Impfzentren gezeigt werden und laut FAZ.net (15.01.21) „nichts dagegen spricht“. – Wenn sich eine Kunstkritik nicht mehr um die Frage schert, was eine Ausstellung ist und leisten muss ist das gar nicht okay. Das Hoffen auf ein Weitermachen wie zuvor ist eine Sackgasse.




Corona Studios II ist ein Projekt der Redaktion artline.org,
ermöglicht dank großzügiger Unterstützung vom Kulturamt der Stadt Freiburg