Olafur Eliasson: Symbiotic Seeing: Die Alge schaut zurück

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28. Februar 2020
Text: Annette Hoffmann

Olafur Eliasson: Symbiotic Seeing.
Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, Zürich.
Dienstag 10.00 bis 18.00 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 10.00 bis20.00 Uhr, Freitag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 22. März 2020.
Zur Ausstellung ist im Snoeck-Verlag ein Katalog erschienen,160 S., Köln 2020, 39,80 Euro | ca. 39 Franken.

www.kunsthaus.ch

Olafur Eliassons Installation „Symbiotic Seeing“ als überdimensionierte Marmorierwanne zu verstehen, hieße die Absichten des isländisch-dänischen Künstlers zu verkennen. Im Kunsthaus Zürich bilden sich im Sonderausstellungsbereich Gruppen von Menschen, manche haben sich auf dem Boden niedergelassen, einige sich ausgestreckt. Ein Sound dringt zu ihnen, er wurde von Hildur Gudnadottir komponiert und wird live durch einen Roboter eingespielt. Über ihnen jedoch vollzieht sich ein hoch ästhetisches Schauspiel. Immer wieder wird aus Düsen oberhalb der eingezogenen Decke Nebel ausgestoßen, er lodert auf, dann entstehen blau-gelbe Wolken. Ein bisschen sieht es aus, als würden zwei Emulsionen ineinander fließen, aber sich ständig verändern. Dass die Installation sich wandelt, liegt an uns. Unsere Körpertemperatur lässt die Wolken zurückweichen, so dass der farbige Laserstreifen verwirbelt wird. Je mehr Ausstellungsbesucher sich im Raum befinden, desto stärker reagiert die Arbeit. Bei Eliasson (*1967) ist das von großer Schönheit, in der Wirklichkeit bekanntlich nicht immer. Doch Eliasson macht in „Symbiotic Seeing“ eine Relation sinnlich erfahrbar, die häufig abstrakt bleibt. Er schafft ein Modell für den menschlichen Einfluss auf die Atmosphäre.

Damit reiht Eliasson sich in eine Tradition ein, die auf der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft für ein Verständnis für die Natur und deren Prozesse wirbt. Olafur Eliasson beschäftigt in seinem Berliner Studio nicht allein Kunsthistoriker und spezialisierte Handwerker, sondern auch Architekten und Ingenieure, je nach Projekt kooperiert er mit Naturwissenschaftlern. Eliassons Arbeiten verbinden die besten Seiten beider Welten. Sein in die Wand eingelassenes „Algae Window“ bezieht sich unmittelbar auf die Zeichnungen von Ernst Haeckel, der mit seinen „Kunstformen der Natur“ Künstler, aber auch Designer des frühen 20. Jahrhunderts inspirierte. Die Anordnung unzähliger verschieden großer Linsen orientiert sich an einem Querschnitt durch eine Kugelalge, wie ihn Haeckel dokumentiert hat. Nähert man sich den einzelnen Linsen, sieht man auf den Kopf stehenden Platz vor dem Kunsthaus. Und tatsächlich ähnelt die Struktur ja einem Auge, das einen aus zahlreichen Facetten ansieht.

Wir sind gewöhnt, unser Verhältnis zur Natur als einseitig zu verstehen, Olafur Eliasson verführt dazu, es reziprok zu denken und knüpft hier an Themen der documenta 13 an. Nicht grundlos hat er ausgerechnet die Alge gewählt. Von ihr aus führt ein Strang zu Kunst und Design, die erste Cyanotypie von Anna Atkins hatte 1841 Algen zum Motiv, ein anderer Strang führt zum Klimaschutz. Algen sind essbar und können zudem dauerhaft Treibhausgase binden. Auf der rückwärtigen Wand, entlang der man die Ausstellung „Symbiotic Seeing“ verlassen wird, klebt Text an Text, durchsetzt mit Bildern. Es geht um die Solartaschenlampe, die von Eliassons Studio entwickelt wurde, um viel Naturwissenschaftliches, Sätze wie „Geometry means pacing the world“ sind zu lesen oder Texte über die Bedrohung der Saatgutbank auf Spitzbergen durch das schmelzende Eis.

Die Geometrie durchmisst in der Zürcher Schau nie nur den Raum, von ihr geht immer auch eine große Faszination aus. Optische Gesetze schaffen betörend schöne Lichtinstallationen und einer der Räume gleicht einer Wunderkammer. Manches sieht aus als stammte es von einem Leuchtturm, anderes beruht auf der Variation geometrischer Formen und dann ist da noch ein Spiegel, der manchmal – zum großen Gekicher der Betrachter – den Blick auf das Gegenüber freigibt, dann die Sicht verwehrt. Doch da hat man sich schon fast daran gewöhnt, dass man nicht Herr seines Blickes ist. Die Wunderkammer war noch nie das schlechteste Medium, für die Welt zu begeistern. In Zürich ist sie von Grund auf demokratisch.