Was sehen wir eigentlich? Wissen in Bildern – Informationsdesign heute

Review > Zürich > Museum für Gestaltung
7. November 2019
Text: Giulia Bernardi

Wissen in Bildern – Informationsdesign heute.
Museum für Gestaltung Zürich, Toni-Areal, Pfingstweidstr. 96, Zürich.
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Mittwoch 10.00 bis 20.00 Uhr.
Bis 8. März 2020.

www.museum-gestaltung.ch

Wir sehen sie im Fernsehen, in der Zeitung oder in der Strassenbahn. Die Rede ist von Bildern, die uns Informationen schnell und einfach vermitteln: was heute wichtig ist, wo wir hin müssen. Sie vereinfachen uns den Alltag, ja selbst die komplexesten Sachverhalte. Ein Beispiel dafür ist „Wake Turbulence“ des amerikanischen Fotografen Mike Kelley. Die Arbeit entstand am Flughafen in Los Angeles, einer der am meisten frequentierten weltweit. 2018 wurden über 87 Millionen Passagiere registriert. Als Vergleich: In Zürich waren es rund 31 Millionen. Um das enorme Verkehrsaufkommen greifbar zu machen, fotografierte Kelley während acht Stunden jede abfliegende Maschine, die er schliesslich freistellte und in einem Bild zusammenfügte. Darauf tummeln sich nun dutzende Flugzeuge, eng beieinander, wodurch jene Dichte visualisiert wird, die sich unserem Vorstellungsvermögen entzieht.

Solche Visualisierungen schärfen Bewusstsein. Doch können sie auch gesellschaftliche Debatten anregen? Mit dieser Frage befasste sich in der Ausstellung „Wissen in Bildern – Informationsdesign heute“ die „Expedition 2 Grad“, ein Virtual-Reality-Besuch des Aletschgletschers. Setzt man die Brille auf, wird einem in Zeitraffer der Gletscherschwund vor Augen geführt: das gewaltige Ausmass, das dieser in den letzten 200 Jahren erreicht hat, als auch die verheerenden Folgen, die dieser bis 2070 mit sich bringen wird, sollte sich die Erde weiter erwärmen.

Doch was passiert, wenn die gesellschaftlichen Debatten auf falschen Informationen basieren? Wie uns Bilder auch falsche oder voreilige Schlüsse ziehen lassen, thematisiert „Die Zeit“ in einer ihrer Ausgaben und fragt: „Beschreiben Zahlen die Welt wirklich objektiv? Oder sucht sich jeder just jene heraus, die in sein Weltbild passen?“ Dabei werden zwei Infografiken einander gegenübergestellt, die sich mit demselben Thema befassen, aber auf anderen Zahlen beruhen. Ein Balkendiagramm zeigt die Anzahl syrischer Asylsuchende in Europa von 2013 und bis 2017. Dabei wird deutlich: Deutschland hat im Vergleich zu Schweden, Österreich oder den Niederlanden am meisten Personen aufgenommen. Allein 2016 gab es 750.000 Asylanträge. Was das Diagramm nicht zeigt: Viele flüchteten nicht nur nach Europa, sondern auch in die syrischen Nachbarländer wie Libanon oder Jordanien. Dieser Tatsache ist ein zweites Diagramm gewidmet, das zeigt: Im Vergleich zum Libanon erscheinen die Zahlen von Deutschland eher gering.

Neben der Frage, wie Daten aufbereitet werden, stellt sich auch die nach der Auswertung. Damit befasst sich Coralie Vogelaar anhand einer Emotionserkennungs-Software. Dabei analysiert ein Algorithmus die Mimik einer Person und teilt diese in Kategorien wie Freude, Wut oder Überraschung ein. In ihrem Projekt „Random String of Emotions“ weist Vogelaar darauf hin, wie schwer Emotionen zu definieren sind und wie einfach die Software falsche Ergebnisse generiert. Dies können die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung selbst ausprobieren: Presst man die Mundwinkel nach oben, gilt man als fröhlich, zieht man die Augenbrauen zusammen als wütend, reisst man den Mund auf als überrascht. Einen technologieskeptischen Charakter hat auch der Kurzfilm „Just in Time“, der am Ende der Ausstellung zu sehen ist. Der Film von Oliver Schöndorfer zeigt den Alltag eines jungen Mannes, der sich der Technologie blind anvertraut. Sein digitaler Life-Assistant weiss alles über ihn: wann er auf die Toilette gehen muss, welche die schnellste Route ist, wie viele Schritte noch fehlen, um das Tagesziel zu erreichen. Seine digitale Assistentin vereinfacht ihm das Leben, zeigt ihm, wie er seinen Alltag und sich selbst optimieren kann. Doch irgendwann verliert der Protagonist den Blick für das Wesentliche.

Einerseits vereinfachen Bilder und neue Technologien unsere Realität, andererseits können sie unsere Wahrnehmung davon aber auch verfälschen. Wir können den Daten, die uns tagtäglich bereitgestellt werden also blind vertrauen oder fragen: Was sehen wir eigentlich? Und: Wie gehen wir damit um?