Arne Schmitt: Zeichen der Zeit. Zur Geschichte eines geschichtslosen Gebiets genannt Parkstadt Schwabing.
Kunstraum München, Holzstr. 10, München.
Mittwoch bis Sonntag, 14.00 bis 19.00 Uhr.
Bis 8. Dezember 2019.
Ein „Musterbeispiel für public-private-partnership“ hat der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude die Parkstadt Schwabing bei deren Startschuss im Jahr 2000 genannt. Weil es „in komplizierten, unendlich langen Verhandlungsrunden“ gelungen sei, „die zwölf Eigentümer des insgesamt 40,5 Hektar großen Areals und die Interessen der Stadt unter einen Hut zu bekommen“. So hat jedenfalls die „Süddeutsche Zeitung“ damals Ude zitiert und nannte die Parkstadt „eines der zur Zeit größten und schönsten Bauprojekte in München“. Das ist jetzt 19 Jahre her und die Sicht auf das fast abgeschlossene Neubauprojekt hat sich etwas geändert. Vor allem in den letzten Wochen gab es deutliche Kritik, weil der Investor, die Firma Argenta, überraschend bekannt gegeben hat, dort statt 800 neuer Wohnungen nun doch lieber Büros zu bauen.
Warum? Weil man sich, was vor allem den Bau von öffentlich geförderten Wohnungen betrifft, wohl doch nicht so ganz einig und dem Investor der Geduldsfaden gerissen ist. Womit wir mittendrin wären in „Zeichen der Zeit“: Einer Ausstellung von Arne Schmitt im Kunstraum München, in der sich der in Köln lebende Künstler mit der „Geschichte eines geschichtslosen Gebiets genannt Parkstadt Schwabing“ beschäftigt. Er macht das in Form von eigenen Fotografien und Dokumenten, die sowohl den Ist-Zustand des Areals als auch die Vorbedingungen für den Umbau des Industriegebiets in eine moderne Büro-City reflektieren. Zu den Dokumenten gehören Bilder, Zeitungsartikel und Briefe, die bis in die 1920er Jahre zurückreichen. Darunter ist etwa ein Brief aus dem Jahr 1939 vom „Bürgermeister der Hauptstadt der Bewegung“ mit der Aufforderung an die Lokalbaukommission, eine „wilde“ Wohnsiedlung auf dem Gelände zu entfernen, damit man dort Industriebetriebe bauen kann.
Auch eine Fotografie von Joachim Brohm ist mit dabei, der bereits in den Jahren 1992 bis 2002 mit seinem Langzeitprojekt „Areal“ den Umbau des Gebiets dokumentiert hat. Für „Zeichen der Zeit“ ist dieses foto-urbanistische Werk ein wichtiger Bezugspunkt (Joachim Brohm lehrt Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, wo Schmitt von 2005 bis 2011 studiert hat), genauso wie Schmitts eigene Projekte wie „Wenn Gesinnung Form wird“ (2012) über die Architektur der alten Bundesrepublik oder „Die neue Ungleichheit“ (2015) über neuere Architektur in Köln. Auch dort ging es um den ökonomisch motivierten Städteumbau, und um den Versuch, in Form von nüchternen Schwarzweißfotografien die geschichtlichen und gesellschaftlichen Verwicklungen von Architektur und Städtebau zu fassen.
Die Tendenz zur Reduktion treibt Schmitt in „Zeichen der Zeit“ nun noch weiter, denn statt Architektur gibt es auf den Fotografien nur noch Chiffren des Neoliberalismus, des städtischen und sozialen Lebens. Man sieht Firmenschilder von Supermärkten, Finanzdienstleistern, Industrie- und Technik-Unternehmen, Werbeschilder, ein Infoschild des Sozialreferats. Ein fotografierter Zeitungskasten vermeldet: „Platzangst in München“. Und eine Plakette erklärt, dass das zugehörige Haus nach Franz Josef Strauss benannt ist. Hinzu kommen Fotos von Straßenschildern, die Namen wie „Mies-van-der-Rohe-Str.“, „Anni-Albers-Str.“ oder „Oskar-Schlemmer-Str.“ tragen und die man als Versuch interpretieren kann, dem geschichtslosen Ort Kultur und Geschichte zu verleihen.
Das deutet alles in allem wichtige Zusammenhänge an, bleibt aber gefühlt dann doch ein bisschen an der Oberfläche haften. Und so wie man keine menschlichen Gesichter sieht, bekommt auch die Parkstadt kein Gesicht. Aber darin steckt am Ende vielleicht auch schon eine Aussage.