Body Check – Martin Kippenberger, Maria Lassnig: Körper zwischen Schmerz und Zwang

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13. Juni 2019
Text: Roberta De Righi

Body Check. Martin Kippenberger – Maria Lassnig.
Kunstbau Lenbachhaus, Luisenstr. 33, München.
Dienstag 10.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 15. September 2019.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen:Snoeck Verlag, Köln 2019, 176 S., 36 Euro | ca. 49.90 Franken.

www.lenbachhaus.de

Martin Kippenberger (1953-1997) galt bald nach seinem frühen Tod als Altmeister der Gegenwart. Die Karriere von Maria Lassnig (1919-2014) wiederum kam erst im Alter von 70 Jahren so richtig in Fahrt. Unter dem Titel „Body Check“ bringt Gastkurator Veit Loers jetzt im Kunstbau des Münchner Lenbachhauses zwei höchst unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten zusammen, die sich nicht persönlich kannten, deren Œuvre dennoch inhaltlich frappierende Gemeinsamkeiten aufweist.

Ende der 1970er Jahre waren Lassnig und Kippenberger sogar zeitgleich in Berlin in den gleichen Künstlerkreisen rund um das legendäre Lokal „Exil“ in Kreuzberg unterwegs, ohne sich zu begegnen. Aber nicht nur, dass beide unverdrossen figürlich und analog malten, während anderswo Konzept- und Medienkunst aufpoppten. Für beide war die Gattung des Selbstportraits Anlass, sich schonungslos und nicht ohne Sarkasmus mit der Hinfälligkeit des eigenen Körpers zwischen „Libido und Mortalität“, zwischen „Humoreske und Tragik“, wie der Ausstellungstext betont, auseinanderzusetzen. Darüber hinaus offenbaren beider Bildtitel beträchtlichen Sprachwitz. Kein Wunder, der Multi-Künstler Kippenberger zog zwischenzeitlich nach Paris, um Literat zu werden. Und, eher nebenbei, bei beiden spielte der Frosch eine Rolle: Lassnig stellte sich im Jahr 2000 mit Kröte auf dem Schoß als „Froschkönigin“ dar. Kippenberger schuf Bildnisse und Skulpturen mit gekreuzigtem Frosch in der Serie „Fred The Frog”, deren Präsentation in Bozen 2008 sogar Papst Benedikt wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ auf den Plan rief.

Veit Loers kannte Kippenberger persönlich, er war von 1995 bis 2003 Direktor des Museum im Abteiberg in Mönchengladbach, wo 1997, im Todesjahr des Künstlers, die Schau „Der Eiermann und seine Ausleger“ erarbeitet wurde. Lassnigs Kunst hingegen habe er, wie er während der Pressekonferenz erzählt, eher aus der Ferne beobachtet. Darum sprudelten auch vor allem die Kippenberger-Anekdoten; Lassnigs weibliche Variante der „Körperbewusstseinsmalerei“ beschrieb Loers hingegen mit distanzierter Aufmerksamkeit.

Kippenberger lebte und malte mit ganzem Körpereinsatz, ehe er mit 44 Jahren an Leberkrebs starb. In seinen Bildern krümmt sich der Leib oft in Haltungen zwischen Zwang und Schmerz. Mal haben seine Alter Egos drei Beine, mal halten sie das Gehirn in der Hand. Als er 1981 in Berlin zusammengeschlagen wurde, hielt er unter dem Titel „Dialog mit der Jugend“ seine Schädel-Komplettbandage fest. Er karikiert sich mit Männlichkeits-Gehabe und stellt sich in der Serie der „Hand Painted Pictures“ in verdrehten Athleten-Posen dar. In der „Medusa“-Serie ahmt er die Haltungen der Schiffbrüchigen auf dem Gemälde von Théodore Géricault nach. Immer wieder arbeitet er sich mit grimmigem Humor und einigem Größenwahn an Klassikern der Kunstgeschichte ab, auch an Picasso.

Maria Lassnig präsentiert sich meist ebenfalls nackt und mit schreckverzerrter Miene, ob auf der Schaukel mit dem Titel „Der Verstand hat Angst/Der Arzt sagt: Die Welt loslassen“ oder in „Illusion vom versäumten Heiraten II“. Ihr Körper ist Torso, Anfang der 2000er Jahre zerlegt sie ihn gleich in lauter handliche Einzelteile. In ihren Zeichnungen wird die Reflexion über Versehrtheit und Vergänglichkeit noch eindrücklicher. Im „Cerebralstabilisator“ etwa rutscht das Hirn aus dem Kopf, in den „Sciencefictionselbstpotraits“ halten allerlei Spangen und Schnüre den Schädel zusammen. Zwischendurch wirkt ihre Selbstwahrnehmung nüchtern wie eine Bestandsaufnahme. Bei Kippenberger schillert der menschliche Körper ein bisschen stärker zwischen malade und makaber. Lassnigs Zugang ist intellektueller, Kippenberger direkter. Eine Obsession war die erweiterte Selbstbetrachtung für beide, das macht diese Ausstellung mehr als anschaulich.