Good Space! Communities, oder das Versprechen von Glück.
Villa Merkel, Pulverwiesen 25, Merkelpark und Hallen der Königlich-Württembergischen Eisenbahnwerkstätten, Esslingen.
Dienstag 11.00 bis 20.00 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 1. September 2019.
„Let me apologize for imperialist-white-supremacist-capitalist-hetero-patriarchy“ lautet eine Nachricht des Chat-Verlaufs. Absender: Western World mobile. Auf fünf großen Leuchtkästen hat Tabita Rezaire (*1989) einen digitalen Dialog imaginiert, in dem sich die westliche Welt für Sklaverei, Kolonialismus, Ausbeutung und vieles mehr entschuldigt. „Sorry for real“. Die in Französisch-Guyana lebende Künstlerin versteht sich als digitale Heilungsaktivistin. Ihre Installationen und Videoarbeiten im hyperrealistischen Post-Internet-Stil suchen nach Möglichkeiten der Überwindung rassistischer und sexistischer Machtstrukturen.
Dass Gemeinschaften sich nicht nur durch Verbindendes definieren, sondern auch über Ausgrenzung und Abschottung, zeigt auch Julika Rudelius (*1968) in der Arbeit „the only reason that…“, die in Los Angeles entstand. Dort wohnte die Künstlerin neben einem Drogendealer und einer Methadonklinik, umgeben von Junkies und Obdachlosen. Ihre als dreigeteilter Splitscreen arrangierte Videoarbeit dokumentiert aus der Perspektive eines Passanten unterschiedliche Szenen dieses Straßenlebens, Menschen in teuren Autos, die achtlos an den Baracken und Zelten der Ausgeschlossenen vorbeifahren. Zwei parallele Gemeinschaften in einer Gesellschaft.
Rezaire und Rudelius sind zwei von 16 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, deren Arbeiten in der Ausstellung „Good Space – Communities, oder das Versprechen von Glück“ zu entdecken sind. Es ist bereits die dritte Crossing-media-Ausstellung in Esslingen – eine Reihe, die aus der 1989 gegründeten Fototriennale hervorgegangen ist. Sie trägt der Vielfalt künstlerischer Medien Rechnung, der eine ebenso große Vielschichtigkeit an Inhalten entspricht. Tatsächlich scheinen mit der Frage nach der Ausprägung von Gemeinschaften die großen Themen unserer Zeit verknüpft. Durch Einbeziehung auch ungewöhnlicher Perspektiven ist dem vierköpfigen KuratorInnenteam jedoch eine Ausstellung gelungen, die über die Abhandlung der in manch anderen Schauen beinahe verpflichtend wirkenden Themen hinausgeht.
Gegenstand der Arbeiten von Lin May Saeed (*1973) etwa ist das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Aus Styropor schnitzt sie beinahe lebensgroße Skulpturen von Hyänen oder Ameisenbären, kreiert verspielte und zugleich poetische Reliefs mit Affen, Panthern und Palmen oder wandfüllende, farbige Scherenschnitte, die eine von Abhängigkeit und Gewalt gekennzeichnete Mensch-Tier-Verbindung schildern. Es ist ein Plädoyer für einen respektvolleren, friedlichen Umgang mit der Tierwelt.
Aus mikroskopisch feinen Pinselstrichen sind Gabriela Oberkoflers (*1975) Aquarellzeichnungen zusammengesetzt. Auf großem Format sind in der Serie „Hybride“ Details von Pflanzen wie Blüten, Samen, Blättern oder Zweigen mit beinahe wissenschaftlicher Genauigkeit dargestellt. Oberkoflers Pflanzenwelt ist ein locker-loses Nebeneinander, doch wie von einer unsichtbaren, magnetischen Kraft zusammengehalten.
Zu einem aktiven, handfesten Umgang mit den Pflanzen lädt der ebenfalls von Oberkofler gestaltete Community-Garten im Park der Villa Merkel ein. Dort sind einige weitere Arbeiten wie die ortsspezifische Architektur-Installation „The Exchange“ von Rob Voerman (*1966) zu sehen. Sie leiten über zur dritten Spielstätte der Ausstellung, den EAW Hallen, ehemals Königlich Württembergische Eisenbahnwerkstätten. Diese leerstehenden Industriehallen, die nun erstmals mit Kunst bespielt werden, bilden mit ihrem rohen Charme eine perfekte Kulisse für die raumgreifenden Arbeiten. Gleich mehrere gute Spaces, um in Esslingen diesen Sommer neue Kunst zu entdecken.