Lisa Holzer: Kunst, die durch den Magen geht

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4. Juni 2019
Text: Jürgen Moises

Lisa Holzer.
Kunstverein München, Galeristr. 4, München.
Montag bis Sonntag 12.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 25. August 2019.

www.kunstverein-muenchen.de

Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Dass man auch Kunst essen, sie sich einverleiben kann, das war bei der Eröffnung von Lisa Holzers Ausstellung „Esst mich!“ im Kunstverein München zu erleben. Dort führte die 1971 in Wien geborene, in Berlin lebende Künstlerin die Performance „Und ich hab schon wieder Hunger“ auf. Das heißt: Sie formte in einer „liebevollen, mütterlichen“ Geste, so Holzer im zugehörigen Text, mit ihren Händen Penisse aus Vanille- und Erdbeereis, welche die Besucher anschließend verzehren konnten. „Später werden sie Kunst scheißen. Und sie werden erleichtert sein“, heißt es weiter im Text. Auch aus Zement hat Holzer Penisse geformt, die in einer Vitrine im Eingangsbereich ausliegen.

Inspiriert war die Performance von einer gleichnamigen Fotoserie, die ebenfalls Eis-Penisse zeigt und im Kunstverein hängt. Zusammen mit weiteren, großformatigen Fotos, deren Motive neben Eis aus pürierten Linsen, Erbsen und Kartoffeln, Kakao, Karotten, Kopfsalat, farbigem Zuckerguss, Milchreis oder Schweineohren bestehen. Bilder von Klospülungen gibt es auch. Im Gegensatz zu den arrangierten Lebensmittel-Bildern sind das Schnappschüsse, die Holzer teilweise mit Photoshop bearbeitet hat. Das Ergebnis sind in beiden Fällen Fotos, die an abstrakt-expressionistische oder monochrome Malerei erinnern. In manchen sind Texte von Holzer integriert, die genauso wie die mit Zitaten gespickten Sätze an der Wand auf Popkultur, Kunstgeschichte, Feminismus, Psychoanalyse oder Politik anspielen. „Essen hat mit Körper und Begehren zu tun und Zerstörung und auch mit Malerei“, heißt es darin unter anderem. Oder dass „etliche Bilder schwitzen, manche weinen. Einige kotzen auch ein wenig.“ Womit die Künstlerin Polyurethan-Tropfen, Acrylfarbe oder Eiscremefingerpatzer meint, die sich auf dem Glas der Rahmen befinden.

Dass Holzer die Fotografien wie Lebewesen beschreibt, könnte man so verstehen, dass sie ihnen auch sprachlich eine Körperlichkeit verleihen will, wie man sie oft mit der Malerei verbindet. Dazu passt auch, dass Holzer, die fotografisch ausgebildet ist, aber keine Kunstakademie besucht hat, in Interviews ihr mangelndes Mal- und Zeichentalent betont. Indem sie vom „Kotzen“ schreibt oder davon, wie viel Spaß ihr das Verschmieren der Lebensmittel macht, spielt sie zudem humorvoll mit Tabus. Denn mit Essen haben, siehe die Eat Art eines Daniel Spoerri, zwar schon andere gearbeitet. Aber ein Satz wie „Man spielt nicht mit dem Essen!“ steckt wohl auch heute noch in uns drin. Als ironische Volte Richtung Kunstmarkt lässt sich Holzers „Esst mich!“ ebenfalls verstehen. Eine Lesart, die auch Chris Fitzpatrick gefallen dürfte, der den Kunstverein vor ein paar Monaten als Direktor verlassen und die Ausstellung noch mit initiiert hat. Im Juli wird Maurin Dietrich dessen Leitung übernehmen.