Biennale für aktuelle Fotografie 2017: Das Ende der Statik

Thema
2. September 2017
Text: Dietrich Roeschmann

Biennale für aktuelle Fotografie 2017.
Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg.
9. September bis 5. November 2017.
www.biennalefotografie.de

Das Foto könnte von heute stammen – aus einem dieser neuen Musikmagazine vielleicht, die passend zum Vintage-Boom die Analogkultur des Vinyls feiern –, so scheinbar beiläufig und unprätentiös wird hier Bob Dylans Album „Desire” in Szene gesetzt. Ein Schnappschuss aus dem Handgelenk mit Fokus auf die laufende Nadel, unter der sich gerade der Song „Isis” dreht. An islamistischen Terror dachte im Westen damals noch niemand, als die Platte 1976 erschien. Eher schon an Linksterrorismus, an die Roten Brigaden in Italien, die Action directe in Frankreich, die ETA in Spanien oder die Rote Armee Fraktion in Deutschland. Hat man das im Kopf und weiß, dass der Plattenspieler auf dieser Fotografie Gudrun Ensslin gehörte, ist man plötzlich mitten drin in der hochkomplexen Bildgeschichte der RAF, an der die Boulevard-Medien in den vergangenen Jahrzehnten ebenso ihren Anteil hatten wie etwa auch Gerhard Richter mit seinem berühmten Zyklus „18. Oktober 1977” – eines der Motive zeigt Andreas Baaders Plattenspieler – oder die Fotografen der Polizei. Von letzteren stammt auch die Aufnahme, die angeblich in Gudrun Ensslins Wohnung entstanden sein soll. Sicher ist das allerdings nicht. Der Fotograf Arved Messmer (*1964) hat sie von einer Landesarchivarin zusammen mit anderen Fotografien aus dem Umfeld der Stammheim-Prozesse für seine Serie „RAF – No Evidence” zur Verfügung gestellt bekommen, die ab Anfang September im Rahmen der „Biennale für aktuelle Fotografie” in der Ausstellung „Beweis und Zeugenschaft: Was sagt die Einstellung über die Einstellung?” zu sehen sein wird. Kurator der Gruppenschau im Mannheimer Zephyr ist Florian Ebner, früherer Folkwang-Chef und designierter Fotoleiter des Centre Pompidou Paris. Was ihn interessiert, ist die heikle und nach wie vor hochaktuelle Frage nach der Wahrheit des fotografischen Bildes. Wie sehr diese von der jeweiligen Perspektive der Fotografierenden abhängt, erkundet in Mannheim auch Sven Johne (*1976) mit einer Reportage entlang der Balkanroute sowie die Migrant Image Research Group anhand umfangreicher Recherchen zur Bildproduktion in sozialen Netzwerken und Massenmedien während der Flüchtlingskrise.

Insgesamt versammelt die Biennale, die sich bis 2015 noch „Fotofestival Mannheim Heidelberg Ludwigshafen” nannte, sieben Ausstellungen. Gemeinsames Thema in den drei Städten ist der Abschied von der Fotografie als statischem Bildträger und die Diskussion ihrer aktuellen Aggregatzustände: „Farewell Photography” taucht ein in die Materialgeschichte des digitalen Bildes (Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen), fragt nach der politischen Wirksamkeit der Fotografie (Heidelberger Kunstverein) oder dem Einfluss des Teilens im Netz auf unseren Umgang mit Bildern (Port 25, Mannheim).