Herbert Zangs, Retrospektive: Produktivität des Antihelden

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5. August 2017
Text: Dietrich Roeschmann

Herbert Zangs, Retrospektive.
Museum für aktuelle Kunst – Sammlung HurrleAlmstr. 49, Durbach.
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 14.00 bis 18.00 Uhr, Samstag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr.
Bis 3. September 2017.
www.museum-hurrle.de

Herbert Zangs (1924-2003) war nie einer der ganz Großen – weder zu Lebzeiten noch nach seinem Tod. Der Krefelder, so geht die Legende, gehörte eher zu den Außenseitern, den ewig Übersehenen, den Widerborstigen, die in keine Schublade passten. Aber stimmt das eigentlich? Oder war das nur seine Art, sich als Antiheld zu inszenieren? Rekordverdächtig war zumindest Zangs’ Produktivität. Mehrere Zehntausend Arbeiten sollen sein Atelier während seiner gut 50-jährigen Schaffenszeit verlassen haben, in Hunderten von Ausstellungen waren sie zu sehen. Vielleicht war es ja nicht zuletzt diese grenzenlose Verfügbarkeit seiner Werke, forciert durch eine Schaffenswut, die gegen jede Idee der Verknappung immun war, welche ihm am Ende den Weg in die Rolle des Randständigen ebnete.

Eine Idee von der seltsamen Obsession, die hinter diesem Werk stand, gibt derzeit eine Retrospektive in Durbach. Dicht an dicht hängen hier in strenger Chronologie rund 70 Arbeiten und Serien von Zangs, der nach dem Krieg bei Otto Pankok in Düsseldorf studierte, nachts zusammen mit Günter Grass als Türsteher in einem angesagten Kabarett-Club jobbte und tagsüber zunächst gegenständlich malte, später dann Farbe zu düsteren tachistischen Abstraktionen schichtete, bevor er sich 1952 schließlich ganz von der Malerei abwandte und lange vor den ZERO-Künstlern oder Joseph Beuys an Materialcollagen arbeitete, die er mit weißer Farbe überzog. In Durbach bilden diese „Verweißungen”, die ihm in den 1990ern den vagen Ruf eines Artists’ artist einhandelten, das heimliche Zentrum der Ausstellung. Gut zwei Dutzend sind hier zu sehen – von den Schrott- und Werkzeugreliefs der Fünfziger bis zu den weiß lasierenden Übermalungen von Zeitungsseiten der Achtziger, aus denen mal ein Porträt Samuel Becketts hervorschaut, mal ein Sonderangebot für Haferflocken oder andere mediale Alltagsspuren. „Zu früh, aber folgenlos” hatte Manfred Schneckenburger, Ex-Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, Zangs’ Experimente mit der egalisierenden Wirkung von Weiß beschrieben und ihn 1977 für das schon damals populäre Format der Wiederentdeckung vergessener Pioniere zur documenta 6 eingeladen. Zangs selbst war künstlerisch da bereits an einem völlig anderen Punkt seiner seltsam planlosen, aber aufregenden Karriere. Auch davon erzählt die Ausstellung lebhaft. Unterbrochen von unzähligen Reisen folgte auf die „Verweißungen” eine Phase experimenteller Bildfindungen aus dunklen Materialspuren, für die er mit Ruß malte oder Farbe durch Sackleinen presste. Später brachte er mit Scheibenwischergummis serielle Strukturen auf Papier  nutzte die beiläufige, handwerkliche Geste des Abstreifens von Pinseln als Maltechnik für grelle Abstraktionen, die auf mattschwarzem Grund noch heute eine erstaunlich sinnliche Gegenständlichkeit entfalten.