David Claerbout, Olympia: ruinöse Zukunft

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3. August 2017
Text: Annette Hoffmann

David Claerbout, Olympia.
Schaulager, Ruchfeldstr. 19, Basel.
Donnerstag, Freitag, Sonntag 13.00 bis 18 Uhr.
www.schaulager.org

Ist es auch Hybris, wenn man die Hybris der Nationalsozialisten mit einem Werk unterläuft, das selbst auf tausend Jahre angelegt ist? Mit „Olympia“ hat David Claerbout (*1969) sicher sein bislang aufwendigstes Projekt vorgelegt. Mehrere Jahre an Recherche gingen der Arbeit voraus, er erforschte die Geschichte des 1936 erbauten Berliner Olympiastadions, die Pläne und die Materialien und setzte dies um in eine Arbeit, deren Dauer auf ein Millennium berechnet ist. Die Gigantomanie, die auch in diesem Gedanken steckt, relativiert sich, weiß man, dass der belgische Künstler die Arbeit selbst 25 Jahre betreuen und sie danach an andere weitergeben will. Auch „Olympia“ wird so zu einem Erbe, um das man sich kümmern muss.

David Claerbout hat „Olympia“ mit Programmen verwirklicht, wie sie für Computerspiele verwendet werden. Die Ästhetik suggeriert eine gewisse Dreidimensionalität, deren Künstlichkeit an der Oberfläche abzulesen ist. Das Wetter jedoch entspricht den realen Witterungsverhältnissen in Berlin. Im Schaulager ist jetzt zu sehen, wie die Kamera in langsamen Kreisbewegungen das menschenleere Stadion abtas­tet. Die hochformatigen Projektionen im Rücken zeigen Details der Anlage wie die Treppen oder die Statuen zweier Athleten, die vom Bildhauer Karl Albiker geschaffen wurden. Vor einem Jahr hat David Claerbout seine Arbeit erstmals gezeigt, doch was jetzt in Basel zu sehen ist, hat sich gegenüber den Versionen von New York und Berlin bereits verändert. Im Laufe eines Jahres wuchs das Gras in den Ritzen und die Balustraden sind ein bisschen poröser geworden. In einem Jahrtausend könnte das virtuelle Olympiastadion völlig überwachsen und zu einer Ruine wie sein historischer Namensvorläufer in Griechenland geworden sein. Was derweil mit dem realen Stadion passiert ist, kann auch diese Arbeit nicht vorhersehen.

Vor allem jedoch ist „Olympia“ ein Gedankenspiel. In „Oil workers (from the Shell company of Nigeria) returning home from work, caught in torrential rain“, die Videoinstallation ist Teil der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung und war 2015 in der Ausstellung „Past future“ zu sehen, arbeitete David Claerbout bereits mit dem Moment einer extremen Verlangsamung. Die Arbeit zeigt, wie Arbeiter vor dem Regen Schutz suchen, die Kamera umkreist die Wartenden, so dass die Bewegung einer Schleife gleicht, in der alle gefangen sind. Bei „Olympia“ ist das Verhältnis zur Zeit dialektischer, einerseits unterzieht David Claerbout das Gebäude sozusagen dem Zahn der Zeit, andererseits ist die Phase so unvorstellbar lang, dass jede Form der Kontrolle hier versagt und der Machtanspruch des Tausendjährigen Reiches in seiner ganzen Absurdität deutlich wird.